Der umgewöhnlich grosse Mond hat der Themse eine ungewöhnlich hohe Flut beschert.
Nimmt man die Umfragewerte der TagesWoche und der Basellandschaftlichen Zeitung und das, was alle Journalisten schreiben und das Politestablishment unisono verkündet, zum Nennwert, dann wird SVP-Kandidat Lorenz Nägelin in die Regierung des Stadtkantons gewählt.
Denn Umfragewerte und Expertenmeinungen sind nicht die Bits and Bytes wert, mit denen sie in die Welt der Nachrichten transportiert werden.
Das ist die Lehre aus den US-Wahlen fürs Lokale.
Doch es gibt noch etwas Zweites.
Analysen besagen, dass abseits der intellektuellen Küstenstreifen im Osten und im Westen, ignoriert vom Politestablishment, sich über Jahre hinweg ein tiefer Zorn auf «die in Washington» aufgestaut hat. Groll auf die gewählten Repräsentanten, die in Hinterzimmern auskungeln, was ihrer Macht und ihren Pfründen dient.
Doch das Wahlkreuz für Trump bloss eine Reaktion von tumben «left behind workers»?
In Beverly Hills haben 54 Prozent Donald Trump gewählt.
Nun sind die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Landkanton, verglichen mit den Rustbelt-Staaten der USA, noch immer um einiges besser, obwohl die finanziellen Zukunftsperspektiven zappenduster sind.
Doch was die Kungelei der politischen Akteure um Macht und Pfründe anbelangt, so kann man durchaus Parallelen zwischen Washington und «Liestal» erkennen.
(Liestal ist bewusst in Anführungszeichen gesetzt, weil die Kantonshauptstadt ja nichts dafürkann, dass das «Liestal» der Kantonspolitiker ihr den guten Ruf verhagelt.)
In «Liestal» also hat sich für alle sichtbar die bürgerliche Mehrheit so selbstgefällig eingerichtet wie die Linke in Basel.
Bürgerliche, die vor zwei Jahren die Wende versprachen und seither wenig bis gar nichts zustande bringen.
Nehmen wir zum Beispiel Frau Gschwind von der FDP. Sie war mit der Botschaft angetreten, das von den Sozialdemokraten verluderte Schulwesen neu auszurichten. Kaum richtig im Amt, verordnete sie für die unter Vorgänger Wüthrich aufgegleisten Reformen einen Marschhalt. Letzte Woche verkündete sie – aus heiterem Himmel – das Ende desselben.
Was im Klartext das Eingeständnis ihres Scheiterns war.
Die normative Kraft des Schulplans war stärker als ihre Wahlkampfsprüche. Zurück bleiben Wut und Ärger verunsicherter Eltern, die den Eindruck mit in die nächsten Wahlen nehmen, ihre Kinder seien für die in «Liestal» nichts als Politfutter.
Oder Frau Pegoraro, die Abstimmung um Abstimmung verliert, weil jeder Urnengang zu einem Plebiszit über ihre Amtsführung wird.
Im Laufental – dort wohnen nicht nur Hinterwäldler – staut sich fast schon lehrbuchmässig die Wut der Bürger auf die in «Liestal».
Tausende Tonnen Bauschutt sollen ins Tal gekarrt werden, was auf dem Papier durchaus vernünftig erscheint, aber die Laufentaler tief in ihrem Gefühl für Heimat verletzt: Sie wollen nicht den letzten Dreck bei sich.
Frau Pegoraro hat im Regierungsamt nie ein Gespür für die Menschen entwickelt.
Die Leute sind zunehmend sauer auf «die in Liestal», auf dieses sich selbst verköstigende Steigbügelhaltersystem, wo am Ende keiner mehr den Durchblick hat, weshalb er jetzt und mit wem gegen das kämpft, wofür er schon immer gewesen ist.
Sollte am 27. November die Energiesteuer abgelehnt werden und auch die Deponien-Vorlage, dann muss nicht lange nach Erklärungen gesucht werden. Dann kann man zur Kenntnis nehmen: «Das Volk» hat genug von den Kungeleien.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 16. November 2016
Chienbäsebärti meint
Thank you für die Anführungszeichen.