Manchmal hat man schon das Gefühl, wenn man kurz nach dem Aufstehen – jetzt in diesen stockdunklen Wintertagen gefühlt noch früher, als die Uhr anzeigt –, wenn man also noch mitten in der Nacht die Frühnachrichten hört.
Da hört man schon seit Jahren ein und dieselbe Botschaft: Die Welt geht unter oder versinkt, als Alternative, im Chaos.
Und ich frage mich, wie man solcherart negativ auf den Tag eingestimmt überhaupt noch die Kraft findet, oder besser: den Mut, rauszugehen und sich ins Gewühl des morgendlichen Verkehrs einzufädeln.
Gibt es irgendeine Weltgegend, so muss man sich fragen, ohne Mord und Totschlag, sei es, weil Fanatiker sich gegenseitig und unschuldigen anderen die Köpfe einschlagen, sei es, weil dieser Polizist zuerst schiesst und dann nachfragt.
Und zum Schluss jeweils das Wetter: Die Wolkendecke gibt der Sonne auch heute keine Chance.
Wenn ein Land mit all den Krisen, Katastrophen und menschlichen Tragödien nicht mithalten kann, wie beispielsweise die Schweiz, dann bleibt gar nichts anderes übrig, als Schreckensszenarien zu fantasieren.
Wenn das und jenes nicht subito geändert wird.
Schliesslich muss nach den Auslandmeldungen auch noch über ein paar Missstände im Inland berichtet werden.
Nun nähern wir uns im Minutentakt dem Höhepunkt der Weihnachtszeit, auch jene, die wie ich mit Religion so gut wie gar nichts am Hut haben.
Was bedeutet, dass wir heute alle irgendwie das Fest der Liebe und der Freude feiern.
Schon allein das könnte doch Trost genug sein, dass es jedes Jahr zumindest ein paar wenige Tage gibt, in denen die Hoffnung, es könnte dereinst Frieden und alles, was damit verbunden sein mag, geben, einkehrt.
Doch es gelingt uns auch am 24., das Warten auf den erhofften Frieden in Stress umzudeuten. Schliesslich muss bis heute Abend noch allerhand erledigt werden.
«Last Minute» ist der Taktgeber unserer Zeit.
Weil ich für religiöse oder gar esoterische Höhenflüge überhaupt nicht tauge, das Fach «Trost spenden» den Profis von der Kirche überlassen muss, kann ich lediglich aus der Erfahrung eines Zeitgenossen reden, dessen Beruf(ung) seit über dreissig Jahren der Journalismus, überhaupt die Kommunikation ist.
Und die lautet so: Leute, das meiste, das uns aus aller Welt berichtet wird, ist in der Tat schrecklich. Das Leben auf diesem Planeten ist nun mal kein Zuckerschlecken.
Aber: Da der Mensch nun mal schlechte Nachrichten lieber konsumiert als gute, werden wir, diesem Marktgesetz folgend, mit schlechten Nachrichten dauerberieselt.
Das Nachrichtengeschäft ist halt wie der Verkauf von Joghurt von der Nachfrage diktiert.
Wer eher die guten Seiten sieht, also auch an einem hundsgewöhnlichen Wochentag den Gang der Dinge ziemlich optimistisch interpretiert, gilt als herzloser Ignorant.
Lassen Sie sich nicht beirren und denken Sie einfach: Seis drum. Wer einen verregneten Sonntag nicht zu schätzen vermag, ist zu bedauern.
Und überhaupt: Die Morgennachrichten dauern schon seit Jahren nur 10 Minuten.
Weil heute Weihnachten ist, behaupte ich: Die guten und die schlechten Ereignisse halten sich die Waage.
Und um noch einen draufzusetzen: Die überwiegende Zahl der Menschen auf diesem Planeten lebt überaus glücklich.
Diese Tatsache ist gut für uns, aber schlecht fürs Newsbusiness, was uns nicht zu kümmern braucht.
Ich wünsche Ihnen fröhliche Weihnachten. Und auch: Chag sameach Chanukkah!
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 24. Dezember 2014.
Marc Schinzel meint
Anknüpfend an M.M.: Die fehlende Zeit. Vielleicht fehlt sie ja nicht wirklich, aber wir bilden uns allzu oft ein, sie fehle uns. Schenken wir uns etwas Zeit an Weihnachten? Ein Gedanke: Die Botschaft des Kindes in der Krippe lautet wohl nicht “schaut alle mal her, da bin ich nun, der ultimative Superstar“. Vielleicht eher so: “Ich lade Euch herzlich ein, Euch selber kennenzulernen“. Ob weihnächtlich gestimmt oder nicht: Gönnen wir uns Zeit, uns selber kennenzulernen und herauszufinden, was uns wirklich wichtig ist. Dann, so glaube ich, wiederum anknüpfend an M.M., wird 2015 ganz viel Erfreuliches bereit halten!