Der Mensch neigt dazu, sich die jeweilige Sachlage so zurecht zu legen, dass sie ein für ihn stimmiges Bild ergibt.
Und damit eines, das er verstehen kann.
Dazu gehört auch, dass man, um ein stimmiges Bild zu erhalten, die Sachlage in kleinere Sequenzen zerlegt und so eine Sequenz dann derart stark vergrössert, dass sie den Rest zudeckt.
Zum Beispiel so:
Männliche Schüler => Islam => Lehrerin => Händeschütteln => verweigern => Radikalisierung => Terroristen.
Nur so ist es für ihn möglich, gewiss zu sein, er verstünde die Welt. Würde der Mensch nicht über die Fähigkeit verfügen, sich die Welt nach Gutdünken zurechtzulegen, er wäre wohl nie über die afrikanische Savanne hinausgekommen.
Wir lesen im Blick (ausgerechnet), dass es auch so gewesen sein könnte:
Lehrer => verbaler Angriff => Lehrerin => unterstützt ihn => Schüler im Kern ihres Selbstverständnisses verletzt => verweigern beiden den Handschlag
Nun ist auch das bloss eine Sequenz.
Was uns also fehlt, ist eine unaufgeregte Darlegung der Sachlage. Damit wir uns ein Urteil bilden können.
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Urs P. Haller meint
Mit den Wölfen heulen…
»Diese Händedruck-Debatte ist doch bireweich. Was heisst schon >gemeinsame Werte<? Müssten wir uns auf eine Liste einigen, würde man schnell merken, wie verschieden die Wertevorstellungen der Schweizer sind«, so Charles Lewinsky. Endlich eine vernünftige Stimme im Wolfsrudel. Doch zu postulieren, dass Ausländern, welche mit dem gutbürgerlichen Schweizer Knigge des Händeschüttelns nichts anfangen können, »die Aufenthaltsbewilligung zu entziehen ist«, geht im derzeit aufgeheizten Medienhype unter, ist aber allerunterste Schublade. Und wenn dann weiter in Aussicht gestellt wird, dass »das von ihr (Bem. Frau Gschwind) aufgegebene Gutachten den Vollzug sicherstellen« soll – eine selffulfilling prophecy also? – jagt es mir echt den Nuggi use. Das soll liberales Denken sein? Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass es durchaus achtenswerte Gründe gibt, auf einen Händedruck zu verzichten und seinen Respekt auf andere Weise zu bezeugen. Der Autor der besagten Medienmitteilung wäre gut beraten, die unbedachten Worte, die einer liberalen Partei alles andere als gut anstehen und für die ich mich echt schäme, postwendend zu berichtigen.
Graf K. meint
Houellebecq lesen, sehr geehrter Herr Haller, hilft aktuell weiter als Schmitter. Sie finden es sicher auch prima, dass jeweils Vertreter des Islamischen Zentralrats der Schweiz bei den Gesprächen mit den Lehrern in Therwil dabei sassen.
elisabeth schiess meint
Handschlag für dich: seit Jahren mache ich bei diesem Reiseabschnitt Fotos, habe schon eine grosse Sammlung davon…
M.M. meint
Neue Kamera, Sony Alpha 6300, rumpröbeln.
Städter meint
Man kann alles schön ausdiskutieren, OK, inkl. Ober-Psychologisieren. Es wäre der Sache dennoch dienlich, wenn wir es als Land schaffen, diejenigen im Land willkommen zu heissen, die der Gesellschaft in irgend einer Weise etwas beitragen können. Und bei solchen Njet zu sagen, wo die Probleme schon zu Beginn klar sind. Wenn jemand als religiöser Eiferer (der Vater der zwei Teenagers) aus Syrien und den Arab. Emiraten ausgewiesen wird, aber hier hat er kein Problem, via Flüchtlingsverfahren ins Land zu gelangen, dann stimmt doch etwas nicht. Flüchtlingsstatus ist für jene, die aus totalitären Staaten verfolgt sind und deren demokratische Rechte mit Füssen getreten wurden.