Wenn die FDP-Fraktion sich heute zu einer Aussprache trifft, um die innerparteilichen Energiesteuergräben zuzuschütten, dann sollte sie ihr Augenmerk weniger auf die jüngste Vergangenheit richten, als vielmehr auf die nähere Zukunft.
Der FDP steht neues Ungemach ins Haus.
Auch wenn das derzeit weder die Präsidentin noch der Fraktionschef erkennen wollen.
Die Liberalen in der FDP werden wegen diesem Satz opponieren, den FDP-Regierungsrätin Gschwind in die Baselbieter Verfassung schreiben will: «Weltanschauliche Auffassungen und religiöse Vorgaben entbinden nicht von der Erfüllung bürgerlicher Pflichten.»
Und ob das noch nicht genug wäre, will die FDP-Regierungsrätin gesetzlich festhalten, dass Baselbieter Lehrer «bei wesentlichen Integrationsschwierigkeiten von Schülerinnen und Schülern mit ausländischer Staatsbürgerschaft» diese und ihre Familien dem Baselbieter Amt für Migration melden müssen.
Auf Telebasel um eine Interpretation gebeten, meinte die Magistratin, es gehe um schweizerische Gepflogenheiten, wie beispielsweise Pünktlichkeit und Abfallentsorgung, an die sich Ausländern anpassen müssten.
Und eben auch um das Schütteln von Händen von Frauen als Zeichen des Akzeptierens der Gleichberechtigung.
Was auf den ersten Blick als «die tut was» daherkommt und sich auf den zweiten als aktuelle populistische Stimmung entlarvt, ist nichts anderes als der Rückfall der FDP, Garantin der offenen Gesellschaft, in pures Stammesdenken.
Die Partei der Liberalen will mit der Beschwörungsformel «bürgerliche Pflicht» eine Grenze ziehen zwischen «denen» und «uns».
Es ist absehbar: Der Abstimmungskampf wird einen grossen Haufen unappetitlichen Dreck aufwirbeln.
Frau Gschwind folgt einmal mehr dem ihr eigenen Handlungsmuster als Exekutivpolitikerin. Statt Position zu beziehen und zu handeln, beruft sie ein Beratergremium, dieses Mal die gesamte Baselbieter Stimmbevölkerung.
Zur gleichen Zeit, als sie fürs Baselbiet ein juristisches Gutachten zum Therwiler Nichthandschlag in Auftrag gab, wies die Basler Regierung verschiedene Verwaltungsstellen an, eine Anlaufstelle «Radikalisierung» einzurichten, welche Informationen über «Extremismus und religiös begründete Radikalisierungen» sammeln soll.
Seit Oktober wird gehandelt.
In einem Jahr will der Regierungsrat wissen, was Sache ist. Anders als im Baselbiet hat man in Basel erkannt, dass das eigentliche Problem nicht bei Begrüssungsritualen in Primarschulen liegt, sondern in der Radikalisierung von Jugendlichen.
Einer jedoch kann sein Glück kaum fassen: Marc Schinzel, im Hauptberuf eidgenössischer Justizbeamter im Departement Sommaruga, er, der Pfiffige, der sich mit Leserbriefen und Onlinekommentaren in den Landrat hochgeschrieben hat.
Seine Stunde schlug auf dem Höhepunkt der sogenannten Handschlagaffäre, als er in einer Motion die Verfassungsänderung ins Spiel brachte.
Und die FDP-Fraktion mit der Behauptung hinter sich scharte: «Aufgrund der Absicht militant-fundamentalistischer Kreise, die Religionsfreiheit zur Aushebelung des staatlichen Rechts zu missbrauchen, ist eine ausdrückliche Nennung (der bürgerlichen Pflichten) in der Kantonsverfassung angezeigt.»
Seither gilt er als der Intellektuelle in der Fraktion. Der Unscheinbare hat die «Die Liberalen» erfolgreich verschinzelt.
Bleibt die Frage, wann die «anonymen Liberalen» aus der Deckung kommen.
Jetzt gehts ans Mark.
Städter meint
Klar ist man hier als kultivierter Zeitgenosse auf der Linie, jedem seine Freiheiten zu lassen, für eine Gesellschaft des Individuums. Aber natürlich ist auch dies stets eine Frage der Perspektive, Sie als Arlesheimer im wohl reichsten Kanton der Schweiz mit gelegentlichem Reisedrang in die schöne Welt, könnten ja auch mal für ein halbes Jahr oder so und die Feldbergstrasse ziehen, hat tolle Bars da, lebhafte Sache. Aber auch Abfallsäcke ohne Kleber, illegal hingestellt, Kügeli-Dealer und vielleicht ein Nachbar mit einem ausgesprochen lauten Fernseher, der als ‚Harzer‘ das Programm von RTL 2 in und auswendig kennt. Ich sag mal: Das kann die Perspektive verändern, muss aber nicht. Einen Markt gibts da auch am Samstag.
M.M. meint
Genau so ist es. Gerade wegen der „Feldbergstrasse“ gibt es rote Linien, die man besser nicht überschreiten soll.
Und Sie bestätigen meine wichtigste Aussage:
Sara Hengst meint
Und ich als Kleinbaslerin würde gerne mal für ein halbes Jahr nach Arlesheim ziehen. Wäre sicher lustig. Kanns mir nur leider nicht leisten.
gotte meint
Haben sie sich die aktuellen wohnungsinserate in arlese angesehen? 3.5 zimmer für 1500? Gibt es so kaum mehr in der stadt. Bin immer skeptisch mit dem „sich sachen nicht leisten können“ – das sagen viele, die trotzdem mehrmals im jahr in die ferien fliegen, kommunikationskosten von 200-300 franken im monat haben und teilzeit arbeiten – was ich damit sagen möchte: nicht alle, die sich arm fühlen, sind es wirklich. Viele gehen davon aus, dass ihre konsumentscheide normal sind und zur grundausstattung gehören.
Markus Spielmann meint
In Basel brauchts gar keine Vignette auf den Abfallsäcken, dafür gibts den Bebbisagg. Das beweist, dass „Städter“ keine Ahnung hat vom Kleinbasel. Die Hippsterisierung des Stadtteils schreitet munter fort. Expats ziehen ein. Urban leben ist sexy. Mir ists auch lieber als in einem biederen Vorort. Dort hats zuviel von der Sorte Schweizer, von denen mir schlecht wird.