Es kommt eben offenbar darauf an, woran man stirbt, um das Mitgefühl der politisch schnell erregbaren Kreise zu wecken.
Über die Toten, die jetzt vor der Küste von Sendai treiben, verliert bei den Atomkraftgegnern kaum jemand ein Wort, vielleicht weil man Stefan Mappus dafür nicht wirklich verantwortlich machen kann. Offenbar taugt nur der Strahlentod, um in der Opferhierarchie ganz nach oben zu gelangen. Auch diesen Einwand kann man für zynisch halten.
Aber besteht nicht der wahre Zynismus darin, die Toten einer Naturkatastrophe danach zu bewerten, ob sich ihr Schicksal hierzulande zum politischen Protest eignet?
h.s. meint
Die Welt ist schnell. so schnell, dass wir uns streiten dürfen über was mehr zählt. Die Geldverluste, die radioaktive Folge, die Toten durch Radioaktivität,die durch Tsunami oder die durch Erdbeben. Aber kein Mensch redet mehr über Haiti. 316’000 Toten. Aber die sind vergessen. Unsere Media wollen Frischfleisch.
C.P meint
Ja, zynisch sind immer die andern. Die, die nicht richtig trauern, nicht so, wie man es selber für richtig empfindet. Oder so. Die Opfer und die Schäden der beiden Naturkatastrophen sollten betrauert werden. Auch die Wirtschaft reagierte mit Trauer und dem angemessenen Optimismus. Die Naturkatasstrophen könnten die stagnierende Wirtschaft von Japan wieder beleben. Nun reagieren die Börsen böse – zynisch? – oder ist das nun pragmatisch? Nach dem Atomgau und der anzunehmenden Verstrahlung, fallen die Kurse ins bodenlose. Im Minutentakt werden riesige Vermögen vernichtet. Denn ja. Gegen Naurkatsrophen kann man sich versichern. Für Atmounfälle und deren Schäden gibts (wie für Kriege) keine Versicherung. Zynisch sind immer die andern. Ist vielleicht einwenig einfach, aber menschlich. womöglich.
patrix meint
„Die Naturkatasstrophen könnten die stagnierende Wirtschaft von Japan wieder beleben.“ Der Zynismus kennt wohl keine Grenzen mehr. Natürlich wird sich der Wiederaufbau positiv aufs japanische BNP auswirken (sofern sich das ganze bei der eh schon hohen japanischen Staatsverschuldung überhaupt finanzieren lässt), aber primär wurde ein signifikanter Anteil des japanischen Vermögens durch das Erdbeben vernichtet. Gemittelt über die letzten und nächsten 10 Jahre bleibt da kaum viel Wachstum übrig.
seg meint
DIe politische Ausschlachtung dieser tragischen Ereignisse ist einfach nur, man muss es sagen, zum kotzen. Übelster Populismus.
Und die Medien spielen liebend gerne mit.
Sachliche Informationen gibt es auch, wenn man sie sucht. Zum Beispiel hier: http://mitnse.com/
Markus Heiniger meint
Jein…
Den (uns) Atomkraftwerkskeptikern und -gegnern vorzuwerfen, die Situation in Japan gewissermassen zu instrumentalisieren, entbehrt viellicht nicht in jedem Fall jeglicher Grundlage. Aber die Sichtweise zielt insgeamt
weit daneben. Hinter der Atom-Skepsis, die halt nun wieder einmal auf traurige Weise Nahrung erhält, steckte schon vor und erst recht nach Tschernobyl die Angst vor dem GAU (und das Wissen darum, das Abfallproblem der Technologie nach wie vor nicht gelöst zu haben). Es geht (uns) ja nicht darum, irgend jemandem sein „Spiel“ zu verderben. Es geht um die Sicherheit der Menschen und um unsere Zukunft. Die Japaner und wir, wir sind Erdenbürger. Das klingt vielleicht pathetisch, ist aber eine schlichte und einfache Wahrheit, nicht mehr und nicht weniger. Letztlich kein parteipolitisches Engagement sondern ein humanes.
Mein ganz persönlicher Standpunkt ist – wie schon gesagt – der, dass ich an die Intelligenz des Homo Sapiens Sapiens glaube. (Der Glaube stirbt zuletzt). Und dabei schlägt erneuerbare Energie das Verbrennen und Spalten von Materie einfach deutlich. Energiegewinnung durch Verbrennung beherrschten wir schon als Cro Magnons.
Die Hierarchie der Opfer gilt es sicherlich (trotzdem) zu bedenken, ja. Übrigens auch die der Behinderten (Blinde etwa stehen ja deutlich besser da als sabbernde Spastiker).
Ja, viele Hierarchien mehr gilt und gälte es kritisch zu betrachten, wenn wir gerade dabei sind, nicht zuletzt jene, die Fantasiesaläre ermöglichen. – Einmal mehr ein guter grundsätzlicher Denkanstoss, Besten Dank.
En Arleser meint
Wie haben wir gejubelt, als im Norden Afrikas der Wille zu Freiheit und Demokratie ihren Weg nahm. Aber schon am Tag danach war die wichtigste Frage: was machen wir mit möglichen Flüchtlingsströmen von grösserer Bedeutung? Und dann, dann haben wir tatenlos zugesehen wie tausende an der Grenze feststecken, wo blieb unsere Hilfe? Nun ja, dann kam Japan, ein tragischer Moment, das Schwergewicht der Nachrichten hat sich schlagartig verändert. Nun stehen wir kurz vor einer nuklearen Katastrophe und zermarten wir uns die Köpfe, wie wir denn unser Energie-Problem ohne Atom lösen werden. So tragisch all dies ist, viel tragischer ist, dass wir uns die Gedanken zu diesen Themen mitunter nach einem herrlichen Tag auf aufwendig kunstbeschneiten Pisten, erreicht im bequemen Privatauto, abends Nachrichten schauend mit feinen Speisen am heimeligen Kaminfeuer in einer Wohnung die ca. 50 Wochen pro Jahr leersteht, machen. Fazit: erstens bitte so lange demokratisch noch möglich gescheite Köpfe wählen und zweitens einfach mal über unseren ach so schönen Lebenswandel kritisch nachdenken.
adrian strebel meint
Das selbe trifft ja auch auf Libyen zu: Als die Proteste aufflammten, war als erstes zu hören, dass die Armee an die Grenze soll, um unsere Schweiz zu schützen. Über die Toten, die jetzt in Brega, Ras Lanuf etc. liegen, verliert hier kaum jemand ein Wort.
Besteht nicht der wahre Zynismus darin, die Flüchtlinge (die bis trotz den Prophezeiungen der SVP) in der Diskussion höher zu gewichten als die Toten, weil sie sich hierzulande zum politischen Protest eignet?