Vor einer Woche konnte man bei der Konkurrenz der BaZ erstaunliche Sätze lesen. Hans-Rudolf Gysin, ehemaliger Direktor der Baselbieter Wirtschaftskammer beklagte am Rande eines Interviews mit der bz die Macht der Verbände und die Schwäche der Parteien. «Ich bin zwar stolz drauf, seinerzeit einen starken Verband organisiert zu haben», wird Herr Gysin zitiert. «Aber wenn man Politik nur noch jenen überlässt, die stark sind, dann werden die Verbände, seien es Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften oder Greenpeace, immer stärker – und die Parteien immer schwächer. Dann geht in unserer Gesellschaft etwas schief.»
Tut mir leid, ich kann Herrn Gysin beim besten Willen nicht widersprechen.
Alle wissen es: Ohne Wirtschaftskammer läuft im Kanton Baselland politisch rein gar nichts. Niemand kann gegen den Willen dieser Organisation Regierungsrat werden, was auch für Vertreter der SP gilt. Und wenn sich die Bürgerlichen nach Wochen der Zänkereien auf eine neue Büza einigen, dann tun sie dies, weil ohne Einigung die Wirtschaftskammer den Geldhahn für den Wahlkampf zudreht. (Hört, hört: Herr Gysin fordert gemäss bz gar eine staatliche Parteienfinanzierung.)
Und im Landrat, mit zwei Führungsleuten vertreten, beschäftigt die Organisation die Verwaltung mit Vorstössen. Von den 158 Motionen und Interpellationen, die sich derzeit auf dem Baselbieter Pendenzenberg stapeln, stammen 19 von Herrn Buser und eine weitere von Herrn Meier. Die beiden Wirtschaftskammervertreter werden nur noch vom Grünen Kirchmayr mit 25 parlamentarischen Vorstössen übertroffen.
Nun glaube ich ja nicht, dass es im Baselbiet jemals eine staatliche Parteienfinanzierung geben wird. Und schon gar nicht, dass es den Parteien gelingt, sich aus der Umarmung der Wirtschaftskammer zu befreien. Aus dem einfachen Grund: Es fehlt die Alternative. Die einzige Organisation, die ein Gegengewicht bilden könnte, wäre die «Handelskammer beider Basel». Doch währenddessen sich die Wirtschaftskammer um die Niederungen des politischen Alltags kümmert, dreht die Handelskammer abgehoben intellektuelle Runden. Mit Sätzen wie diesem: «Durch unüberlegte politische Alleingänge riskieren wir, auf die Konkurrenz an Boden zu verlieren.»
Um es auf den Punkt zu bringen: Die «Handelskammer beider Basel» spielt im Landkanton nicht mal mehr die zweite oder die dritte Geige. Sie spielt überhaupt nicht mehr mit. Wenn Herr Saladin, der im Baselbiet wohnhafte Direktor des edlen Wirtschaftsclubs, erklärt, er wolle nicht mehr für den Nationalrat kandidieren, so muss man diese Absage als das bezeichnen, was sie ist: die bedingungslose Kapitulation. Herrn Saladin fehlt jeglicher Rückhalt sowohl in der eigenen Partei, der FDP, als auch im politischen Establishment des Landkantons.
Wenn die Handelskammer tatsächlich dem eigenen Anspruch, eine Wirtschaftsorganisation «beider Basel» sein zu wollen, genügen will, dann müssen Herr Saladin und seine Leute vom hohen Ross heruntersteigen und sich zu Fuss ins politische Flachland begeben. Wenn es ihnen wirklich ernst ist mit der Leitidee, dass «Basel als Region offener, fachkräftiger, attraktiver, erreichbarer, kreativer und handlungsfähiger wird», dann müssen sie das im Landrat und in den Parteien durchsetzen. Ansonsten bleiben die Handelskammer und ihre Exponenten das, als was man sie jetzt einschätzt: abgehobene Sprücheklopfer.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 15. Oktober 2014.
Meury Christoph meint
Die Gegensätzlichkeit und Widersprüchlichkeit zwischen dem visuellen Beitrag, mit dieser überlebensgrossen, abstrakten und knallbunten Plastik von Michael Grosserts, genannt «Lieu dit», welche im Auftrag des Basler Kunstkredits 1976 an der Heuwaage zur Auflockerung der Betonwüste aufgestellt wurde und dem vorliegenden textlichen Beitrag ist bemerkenswert.
Auf der einen Seite diese bunte Skulptur, welche zu ihrer Zeit grosse Proteststürme und Diskussionen über Kitsch und Kunst im öffentlichen Raum ausgelöst hat und der heutigen Baselbieter Politsituation, welche kaum noch einen öffentlichen Disput auslöst und von welchem sich mindestens die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger unwiderruflich verabschiedet haben, ist frappant.
Heute müssen wir uns mit Politskandälchen à la Gaugler & Co. (oder alternativ mit Honorar- und Sitzungsgeld-Unterschlagungen) beschäftigen und man will uns dabei weismachen, dass dies etwas mit Politik zu tun hat.
Auf der anderen Seite stehen graue Männer, welche als Möchtegern- Wirtschaftskapitäne & Superpolitiker Sprüche klopfen, aber keine Lösungen für den maroden Kanton anbieten können und welche ausserstande sind, eine Wirtschaftsförderung in die Gänge zu bringen, welche überprüfbare Resultate generiert und den Kanton endlich vorwärtsbringt.
Trotz «Handelskammer beider Basel» läuft im Kanton Baselland gar nichts. Grosse potentielle Industriegebiete liegen brach, oder stecken seit über 12 Jahren in einer Planungsphase mit offenem Ausgang (u.a. Salina Raurica). Da ist kein farbiger und froher Lichtblick wahrzunehmen. Ausser den kunstvoll farbigen Lätzchen, welche die grauen Herren umgebunden haben, gibt es wenig Anlass zu Freude & Hoffnung.