Autsch. In einem Vergleich unter 29 Ländern belegt die Schweiz gerade mal einen Platz im Mittelfeld. Die NZZ titelt: Die Schweizer Demokratie mit Mängeln.
Die höchste Demokratiequalität weist gemäss dem Demokratiebarometer Dänemark auf, gefolgt von Finnland und Belgien.
Belgien? Ausgerechnet Belgien?!! Die haben doch seit schon bald mal einem Jahr keine Regierung mehr? Und überhaupt: Die Schweiz ist die älteste Demokratie der Welt, dieses System wird mit der Muttermilch…
Doch mal ernsthaft – wie steht es denn mit unserer Demokratie in Tat und Wahrheit? Werfen wir unseren Blick auf Baselland, aus aktuellem Anlass.
An den nächsten Regierungsrats- und Landratswahlen werden sich über 50 % der Bevölkerung NICHT beteiligen. Dazu der Ländervergleich:
Die politische Partizipation befindet sich sowohl bei Wahlen als auch bei Abstimmungen auf einem sehr niedrigen Niveau. Ein grosser Teil der Schweizerinnen und Schweizer beteiligt sich nicht an der Politik.
Beteiligen würden sich vor allem Gebildete, Wohlhabende, Ältere und überproportional Männer – siehe dazu auch die Kandidatenlisten der Parteien. Baselland steuert auf die tiefste Frauenquote seit Jahren zu.
Das Wahlgesetz ist so trickreich formuliert, dass ein amtierender Regierungsrat praktisch nicht abgewählt werden kann.
26 % der Parlamentarier haben sich allein aus wahltaktischen Gründen während der laufenden Legislatur aus dem Parlament verabschiedet.
Die SVPFDPCVP Einheitspartei Baselland hat entschieden, dass über das brennenste politische Thema, über die Baselbieter Kantonsfinanzen, erst nach den Wahlen geredet wird. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Mich wundert, dass es für dieses System überhaupt noch zu einem Mittelplatz reicht.
max meint
Liebe Corinne Suter, man könnte jetzt fragen, was Kritik an den Mitteparteien mit der direkten Demokratie oder mit dieser Studie zu tun haben. Darf ich, wenn ich die direkte Demokratie ein ziemlich gutes System finde, die Mitteparteien nicht kritisieren?
Corinne Sutter meint
auf BaZ-online zu diesem Ranking gibt es interessanterweise vorwiegend von denjenigen, welche die ‚Classe politique‘ und die Mitteparteien sonst bei jeder Gelegenheit der Unfähigkeit bezichtigen und über alle möglichen vermeindlichen Missstände in unserem Land lamentieren. Man müsste sich vielleicht einfach mal entscheiden.
max meint
Zum Schluss noch die so in Mode geratene Transparenz bezüglich der Finanzierung von Parteien oder Abstimmungskämpfen. Wieso bleibt denn da die Studie und unsere Linken auf halbem Wege stehen? Bewirkt wirklich eine Inseratenkampagne mehr als eine im redaktionellen Teil? Nehmen wir aus aktuellem Anlass die Entwaffnungsinitiative. Was würde die Kampagne der Tamedia, des Ringier Konzerns denn so kosten? Und wieso fragt da niemand nach Transparenz? Wieso wird denn nie nach dem politischen Hintergrund eines Journalisten gefragt, nicht einmal in einem Monopolmedium? Anscheinend hat die Transparenz, die die Linken meinen enge Grenzen.
max meint
Nur noch zur Verdeutlichung: Deutschland steht in dieser Rangliste vor uns. Nehmen wir an, wir sind Deutsche und wir waren gegen die Einführung der Gemeinschaftswährung Euro gewesen. Welche demokratischen Mittel wären uns zur Verfügung gestanden, diese Einführung zu vehindern ? Welche demokratische Partei hätten wir wählen können, um diese Einführung zu verhindern ? Antwort: mehr oder weniger Null. Natürlich hätten wir vor dem VGH klagen können, haben einige auch getan. Allerdings sitzen da Richter die… nach Parteienproporz eingesetzt wurden, nach dem Zahlenverhältnis der demokratischen und anderen Parteien, die sowieso für die Einführung waren. (Wie war jetzt wieder die beklagte Abhängigkeit der Judikative in der Schweiz? Da habe ich lieber kein Verfassungsgericht).
Und dem stellt die „Studie“ tiefe Stimmbeteiligung entgegen….
max meint
Jetzt hat sich allerdings die „Studie“ dummerweise nicht mit der baselländer Demokratie befasst (auch nicht mit der schaffhausischen, denn sonst sähe das mit der Wahl/Abstimmungsbeteiligung etwas anders aus), sondern mit der Schweizerischen.
Wer allerdings die postulierte, überproportionale Beteiligung von Gebildeten, Wohlhabenden und selbstverständlich Männern -sprich die üblichen Verdächtigen- als Mangel an Demokratie bezeichnet, hat mit Verlaub ziemlich einen an der Klatsche.
Das selbe gilt für den ewig als zu tief beklagten Frauenanteil.
Abgesehen davon, das diese Rangliste ungefähr so sinnvoll ist wie eine Rangliste der „schönsten Farben der Welt“, fällt doch auf, dass die verorteten „Mängel“ an unserer Demokratie so ziemlich genau den Forderungen unserer selbsternannten „intellektuellen Elite“ entspricht.
Mittelmass meint
Wer jetzt schon droht depressiv zu werden, kann nachfolgend den 6-minütigen Beitrag von Gestern über die Musterdemokratie Weissrussland schauen:
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/weltbilder/videos/weltbilder1381.html
Nicht, dass es bei uns kein Verbesserungspotenzial gäbe. Aber eben.
Wahrsager meint
Man könnte frech auch Pseudodemokratie nennen. Von Unabhängigkeit der Gerichte keine Spur.
Mittelmass meint
Zum Glück hängt mein Wohlbefinden nicht von Demokratiebarometern oder Armutsuntersuchungen ab. Auch nicht von Theaterabstimmungen. Und auch nicht vom Wetter.
M.M. meint
Meines auch nicht. 🙂
Peter Gysin meint
Wir können immer noch stolz sein auf unsere direkte Demokratie. Allerdings ist die sog. Gewaltenteilung in unserem angeblichen Rechtssystem ein Märchen. Wer mehr dazu wissen will, kann meinen Blog studieren.
h.s. meint
Seien Sie doch froh. Würde nämlich am 13 Februar ein Wahlpflicht existieren und nicht nur die wohlhabende, intellektuelle und ältere Einwohner abstimmen gäbe es ganz sicher keine Subventionserhöhung für das Theater Basel. Ein hoch auf die schweizer Art der Demokratie sollte ihren Streitruf sein. Alles für die Meritokratie.