Mir scheint, die Fünfzigkommadreiprozentler verplempern schon die ganze Woche damit, sich selbst Mut zu machen.
Zum Beispiel dieser Satz von Herrn Somm, der jetzt seine Samstagskommentare immer online stellt, ist so ein Selbstmutmacher, ja man könnte auch hier von Selbsthypnose sprechen:
Tatsache ist: Man will keinen Vertrag mit der Schweiz kündigen, weil man davon profitiert, aber darf das nicht zu offen zeigen.
Aha.
Und überhaupt, Baroso, dieser Schwächling:
Von «ernsthaften Konsequenzen» sprach er, die der Schweiz nun bevorstünden – der gleiche Mann, der solches auch dem russischen Präsidenten Putin sagt, bevor dieser in Kiew macht, was er will, oder dem syrischen Diktator Assad, nachdem dieser eben zehntausend Kinder und Frauen umgebracht hat. Alle Welt weiss, dass Barroso viel redet, aber wenig tut, weil er nirgendwo etwas zu sagen hat.
Wenn ich nicht ahnte, dass nach Herr Mörgerli und Herr Köppel auch Herr Somm ins deutsche Fernsehen drängt, ich würde glatt sagen, dass der Mann leidet unter politischen Wahnvorstellungen.
Aber offensichtlich ist es so, dass zum Alpenmythos gehört, sich klein zu machen, um gross zu scheinen.
Möglich, dass das irgendwie mit dem Untergang der alten Eidgenossenschaft von 1798 zu tun hat, als sich die von Napoleon geschlagenen Eidgenossen sich endgültig den Franzosen ergeben mussten.
Und danach dem Franzosenkaiser den Ägyptenfeldzug zu finanzieren hatten.
In Goldmünzen.
Wobei, korrekterweise müsste man festhalten, dass dieses Kantonsbündnis schon seit dem Mittelalter aufgrund von Handels- und Militärverträgen ein französisches Protektorat war.
Nix da mit freien Bürgern und so.
Herr Somm könnte also schreiben: Das haben wir alles schon mal erlebt, dass wir derart mit Handelsverträgen geknebelt wurden, dass wir über Jahrzehnte, ja Jahrhunderte hinweg von einer ausländischen Macht auf Gedeih und Verderben abhängig waren.
Erst seit 1848, als die europäischen Mächte die Schweiz geographisch zurechtstutzten und sie in die „ewige Neutralität“ verbannten, konnte sich das Land auf ihre Ich-bin-dann-mal-ein-Zuschauer-Rolle zurückziehen. Und diese nach innen als Freiheitswillen verkaufen.
Es ist schon bitter.
Die eigentliche – verdrängte – politische Konstante diese Landes seit dem Mittelalter im Verhältnis zum Ausland ist genau die, welche Herr Somm in einem einzigen Satz treffend beschreibt:
Ein Ritual der Unterwerfung ohne Würde und ohne Aussicht auf Erfolg.
Kann man ja alles nachlesen.
Schweizerische Neutralität aus purem Überlebenstrieb
Historisches Lexikon der Schweiz
Die Alte Eidgenossenschaft geht endgültig unter
Wiener Kongress und die Schweiz
cato meint
Mit Ihrer Aussage, die „eigentliche -verdrängte- politische Konstante dieses Landes seit dem Mittelalter im Verhältnis zum Ausland“ sei „ein Ritual der Unterwerfung ohne Würde und ohne Aussicht auf Erfolg“ liegen Sie einmal mehr voll daneben. Ich muss wieder einige geschichtliche Beispiele bemühen: Der Basler Bürgermeister Johann Rudolf Wettstein verhandelte in den Friedensverhandlungen zum dreissigjährigen Krieg mit Würde und mit selbstbewusstem Auftreten, und er hatte bekanntlich auch Erfolg. Oder der Schweizer Dichter und Nobel-Preisträger Carl Spitteler trat im ersten Weltkrieg mit seinem Beitrag „Unser Schweizer Standpunk“ würdig und dezidiert für die schweizerische Neutralität ein und wandte sich entschieden gegen den deutschen Nationalismus, obwohl dieser auch in der Schweiz viele Anhänger hatte. Sodann erwähne ich Dr. Albert Oeri, welcher im 2. Weltkrieg Chefredaktor der „Basler Nachrichten“ war und sich in seinen Leitartikeln und politischen Kommentaren dezidiert und würdig gegen den deutschen Nationalsozialismus wandte, obwohl damals viele Schweizer und auch einige Bundesräte der Meinung waren, man müsse gegenüber dem mächtigen nationalsozialistischen Deutschland devoter und unterwürfiger auftreten. Schliesslich habe ich auch bei den schweizerischen Spitzensportlern nicht das Gefühl, sie würden dort, wo sie gegen die Vertreter der grossen Nationen antreten, ohne Würde und ohne Aussicht auf Erfolg ans Werk gehen. Der Frust wegen einer Abstimmung, die nicht so gelaufen ist, wie es sich der Verfasser gewünscht hat, sollte nicht dazu führen, dass man zu derart unhaltbaren Schlussfolgerungen gelangt.
M.M. meint
Daraus folgt die Frage, ob die Siege der Schweizer Sportler trotz oder wegen der einschlägigen Verträge erfolgen.
Wettsteins Rolle im Inland ist, sagen wir, zumindest umstritten, Stichwort Bauernkrieg. (Die Aufständischen liessen übrigens den französischen König wissen, sie hätten nichts gegen ihn.)
Die Kommentare des Herrn Oeri (wie auch die Radiokommentare von Herrn von Salis) waren in der Tat bemerkenswerte Einzelstimmen.
Der heroische Abwehrkampf der Schweizer Armee an der Grenze – na ja. Zum Glück wurde die Reduitstrategie keiner ernsthaften Prüfung unterzogen.
Aber wir alle wissen, sie waren nicht so kriegswichtig wie der Nachschub der Deutschen durch den Gotthard nach Italien. Ich lasse jetzt das Nazigold mal unerwähnt.
Ich bin übrigens nicht frustriert über die „verlorene“ Abstimmung. Ich habe lediglich eine abgrundtiefe Abneigung gegen die Begleittöne.
Die historischen Fakten sind nun mal so wie sie sind.
Aber Sie bringen mich auf eine Idee: denkt etwa Herr Somm er sei der Oeri des Widerstandsjahres 2014? Ich kann mir das doch glatt vorstellen.
h.s meint
Ich möchte mich mit Cato den vieljüngere genau so wenig anlegen als mit sein Redegewandte verwandte Cato den ältere, aber die Position der Schweiz war bei die beide Freiden von Westfalen (Münster und Osnabrück) eher ein nebensachlichkeit. Entgegen die in die Schweiz oft vertretene Meinung schied die Schweiz nicht aus den HRR aus. Sie war nur nicht mehr die Reichsgerichtsbarkeit (ein Art EUGh des Mittelalters) unterstellt. Da die französische Vertreter, diese Massnahmen als Teil der Friedensverhandlungen verlangten (Sie wollten keine Reichsgerichtsbarkeit über ihre zugewandte Orten kamm es durch. Wettstein war da eher eine erweiterung der fränsözische Delegation. Als Gegenleistung schied Rottweil aus die Eidgenossenschaft aus. Die Abhängigkeit der Schweiz zu Frankreich nam dadurch zu. Erst die Niederlage Napoleons sorgte für ein Ende an diese Abhängigkeit (Wiener Kongres)
kaputtmundi meint
Was ich nicht ganz verstehe: Auch wenn Ihre Analyse zutreffen würde – soll man sich gleich ergeben, wie einer gottgesandten Naturgewalt?
Zu dem kleinen Korsen: Der russische Winter hatte ihm auch schon den Weg gewiesen. Und dann diese blöden Engländer, ein paar Kilometer von Brüssel.
Also morgen Sonntag ein schönes Beef Wellington geniessen.
M.M. meint
Das gehört mit zur Rhetorik – man ergibt sich. Also lieber den Heldentod.
Ja, ja, wenn man seit 200 Jahren keinen Krieg mehr geführt hat, dann hat sich das mit dem Widerstand bis zur letzten Patrone halt noch nicht erledigt.
Also dann kämpft mal schön.
G. Koller meint
Dass Blocher sich immer mal wieder in der Rolle des Volkstribunen gefällt, der in „politischen Notzeiten“ aufsteht, und die Rechte der „Plebejer“ (heute die Manne und Froue seines SVP-Volkes) gegen die Patrizier (heute politische Elite, Bundesrat) verteidigen zu müssen glaubt, ist ja bekannt und entbehrt ja auch nicht eines gewissen öffentlichen Unterhaltungswertes.
Aber falls sie nun einem Traum von einer „Brüsseler Milchsuppe“ nachhangen sollten, zu der sie „nach dem Krieg“ bloss einen Holzlöffel mitzubringen bräuchten, um ihre Wänste voll zu schlagen, – den sollten sie vergessen … je schneller, umso besser für uns alle …