Gehen wir doch kurz ein auf den in Medien und Politkreisen diskutierten Vergleich mit „München 1938“ (Chamberlain) und „München 2025″(Sicherheitskonferenz/Trump-Vance).
Ähnlichkeiten: Verhandlungen über das Schicksal eines dritten Landes, ohne dessen Beteiligumg. Eine Vereinbarung zwischen Trump und Putin könnte ebenfalls über die Köpfe der Ukraine hinweg geschlossen werden, insbesondere wenn Trump sich bereit erklärt, russische Gebietsgewinne anzuerkennen.
Appeasmentmuster: Falls Trump Russland entgegenkommt, um den Krieg zu beenden, könnte das als modernes Appeasement gewertet werden.
Machtpolitik statt Selbstbestimmungsrecht: Es wäre ein völlig neues Moment in der europäischen Nachkriegsgeschichte, dass Grossmächte wieder über das Schicksal europäischer Staaten verhandeln, ohne dass diese eine entscheidende Stimme haben.
Doch im Grunde genommen ist der Vergleich zwar nett, aber letztlich unerheblich.
Die Situation ist völlig neu für alle nach 1945 Geborenen.
Zunächst: Russland ist auf dem Papier eine Grossmacht, gemessen an der Wirtschaftskraft der EU ein ökonomischer Zwerg auf dem Abstieg.
Zum anderen: Wir müssen die Sprechblasen der Nr. 47 für bare Münze nehmen – die Pax Americana ist in ihrem 80sten Jahr ein politisches Auslaufmodell.
Die zentrale Frage, vor der Europa steht, ist, ob es in kurzer Zeit eine schlagkräftige Rüstungsindustrie aufbauen und kampfbereite Divisionen aufstellen kann, die Russland abschrecken und zugleich Stärke gegenüber den USA demonstrieren.
Als Citoyens dieses Landes sollten wir jedoch den Blick nach Bern richten – und nicht wie gebannt – oder stammtischpolternd – nach Europa.
Denn das Interessante an der aktuellen Lage ist, dass die Schweiz als zentraler europäischer Staat mit denselben innenpolitischen Fragen und Herausforderungen konfrontiert ist wie ihre Nachbarländer.
In Bern müssen sie die Fragen beantworten: Wer wird neuer Verteidigungsminister, wie viel Macht und Einfluss wird man dem Neuen angesichts der explosiven Lage einräumen und mit welchen Mitteln wird man das VBS ausstatten, um die Schweiz abwehrtauglich aufzurüsten?
Bereits in diesem Sommer wird sich zeigen, wie widerstandsfähig die Schweiz sich aufstellen will.
Daniel Flury meint
Kaum dass der Krieg begann, beklagten sich ukrainische Hilfsorganisationen darüber, dass Transpersonen ihre Medikamente nicht mehr zur Verfügung gestellt bekamen.
«Si vis pacem para bellum». Welchen Krieg meinen wir hier in Westeuropa eigentlich?
Den, der bei uns gegen Mikro-Aggressionen geführt wird, oder den, der da draussen abertausende von richtigem Leben kostet?