Nun gut, meine Voraussage zu den Wahlen in der Türkei von letzten Samstag war keine Punktlandung.
Diese wurde am Sonntag auf den 28. Mai verschoben.
Was mich wundert ist, wie wenig gesunden Menschenverstand Journalisten und – man müsste es erwarten – Fachwissen beim Schreiben ihrer Berichte und Kommentare zu den Türkeiwahlen beigezogen haben.
Den grössten Unsinn verbreitete noch am Freitag unser genossenschaftlich organisierte Staatsfernsehen: „Kilicdaroglu darf hoffen – auch dank Kandidaten-Rückzug“.
Die Pointe ist das Bild.
Man kann dieses Bubble-Denken mit einer Verzerrung der Wahrnehmung erklären. Man folgt dem gruppeninternen Konsensus und sieht nicht, dass die scheinbar rationale Analyse der anderen und von einem selbst lediglich kollektives Wunschdenken einer überschaubaren urbanen Elite ist – hier und in Istanbul.
Dabei liegen die Fakten für einen Sieg von Erdogan seit Wochen auf der Hand:
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- 84% der Bevölkerung der Türkei sind Sunniten, so wie Erdogan;
- 15% der Bevölkerung sind Aleviten, so wie Herausforderer Kilicdaroglu.
- Zwischen den beiden Religionsgruppen herrscht seit Jahrzehnten ein angespanntes Verhältnis; (die Basler Nationalrätin Sibel Arslan in einer Interpellation: „Die Unterdrückung und gezielte Verfolgung der Aleviten in der Türkei muss gestoppt werden)
- Erdogan ist der Chef einer Partei
- Kilicdaroglu ist der kleinste gemeinsame Nenner eines fragilen Wahlbündisses aus sechs Parteien; (die Kurden sind aus diesem Bündnis ausgeschlossen, obwohl sie 20% der Bevölkerung stellen.)
- Erdogan steht für Stabilität, auch im Staatsversagen; Kilicdaroglu für „man-weiss-nicht-so-genau-wie-das-dann-funktionieren-soll.“
- Erdogan steht für Nationalstolz und Kilicdaroglu für „man-weiss-nicht-so-genau“.
- Türken und auch -innen in Deutschland wählen Erdogan. Der liegt ihnen näher als, sagen wir, Annalena Baerbock.
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Noch Fragen?
Rampass meint
Deutschland ist im ESC untergegangen. Auch da hat, wie schon in Katar, die Regenbogenfahne nicht geholfen.
Fragen? Ja.
Wird’s irgendwann wieder besser mit dem Journalismus oder mit dem grassierenden „Haltungsjournalismus“ das Ende der Fahnenstange erreicht? Immerhin wird nicht mehr jeder hundskommune Kommentar mit „Analyse“ geframt.