Was ich gegenwärtig erlebe, ist so was wie back to the roots.
Als ich 1986 vom Journalismus auf die andere Seite wechselte, war die Abstimmung für den Bau der Nordtangente mein erste Abstimmungskampagne.
Seit Juni organisiere ich für die das Ja-Komitee die Margarethenstich-Kampagne – engagierte Leute, gute Stimmung, ernsthaftes Anliegen.
Deshalb macht die Arbeit wie damals richtig Spass.
Auch zuzuschauen, wie die Gegner sich abmühen, plausible Argumente zu finden.
Allein – es gibt keine.
Im Kern geht es um eine Ampel in Binningen, die neu hingestellt werden muss, damit der 17er am Margarethenstich abbiegen kann. Und nur betrieben wird, wenn ein Tram kreuzt.
Wartezeit für Autos: 52 Sekunden.
Weil das ein allzu lächerliches Argument ist, brüllen sie herum, was man bei jeder Abstimmung herumbrüllen kann: ZU TEUER.
Nun weiss ich seit der Nordtangenten-Abstimmung, eine Nein-Kampagne zu machen, ist um einiges leichter, als wenn man das Ja vertreten muss.
Weil die Leute bei allem und jedem zuerst mal Nein zu sagen. Das haben sie von Kindsbeinen auf so gelernt.
7,3 Millionen Franken, soviel bezahlt der Kanton, den Rest von den 14 Mio. Gesamtkosten übernehmen der Bund und die BLT, sind nicht wenig Geld.
Deshalb drei Vergleichsgrössen: Die neue Tramlinie im Waldenburgertal (die nennen das Tram dort auch künftig „Bahn“) kostet rund 300 Mio. Franken, die Erneuerung der Gleise des 10ers zwischen Dreispitz und dem Bahnhof Dornach-Arlesheim kosten 21 Mio. Franken und die Wendeschlaufe in Liestal, damit die S-3 künftig im Viertelstundentakt nach Liestal verkehren kann, 16 Mio. Franken.
Dazu hat es nie eine Volksabstimmung geben.
20 Prozent der Kantonsbevölkerung wohnen im Leimental. Sie haben weder einen S-Bahn-Anschluss noch eine Autobahn. Der gesamte Verkehr rollt über zwei Achsen. Während der Stosszeiten stauen sich Autos immer wieder auf der ganzen Strecke.
Da ist nun mal das Tram eine effiziente Alternative: Seit der 10er zum Bahnhof fährt, haben sich die Passagierzahlen von 12 auf 18 Millionen Passagiere erhöht.
Wenn die Baselbieter/innen die neue Linienführung über den Bahnhof und ins Kleinbasel ablehnen, dann wird das Tal von der weiteren Entwicklung des ÖV abgehängt.
Wer entlang der S-3, dem 10er und dem 11er wohnt und erst noch mit der A18 über einen schnellen Autobahnzubringer verfügt, sollte die weniger privilegierten Leimentaler nicht hängen lassen.
Und Ja stimmen.
Auch wenn ein Tesla-Fahrer aus Bottmingen allen Ernstes meint, man könne ihm einen 52-Sekunden-Stopp beim Margarethenstich nicht zumuten.
Urs P. Haller meint
Dass man nicht schon früher bei der Eröffnung der längsten internationalen Tramlinie diesen »Stich« eingeplant hat, ist mir schleierhaft. Das Projekt ist so einleuchtend, dass man über die Argumente der Gegner nur den Kopf schütteln kann. Und noch etwas: Nebst der besseren Anbindung des Leimentals stehen mit der neuen Tramlinie bei Störungen und Gleisarbeiten auch mehr Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung.
isaac reber meint
super projekt, top kosten-nutzen-verhältnis, ganzes leimental profitiert – weiter machen so
G. Koller meint
Hat man etwa aus „Rücksicht“ auf „fortschrittliche“ Tesla-Fahrer oder aus Angst vor „fossilen“ Benzin- und Dieselabhängigen darauf verzichtet, in der Argumentation um die Verkehrsplanung der Zukunft auch auf den Schutz der Umwelt (Luft, Lärm, Energie, Gesundheit, Stress etc.) hinzuweisen, zu dem der Bau des Margarethenstichs letztlich auch beiträgt? Faktisch vielleicht nicht auf den ersten Blick ersichtlich, dennoch mit einer wichtigen Signalwirkung.
Denn eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Die Berechnungen und Aufwendungen von „loss and damages“ * infolge unter anderem einer jetzt vernachlässigten Berücksichtigung der Umweltschutz- und Klimafaktoren in der Verkehrspolitik werden das erbitterte Gegeneinander-Aufrechnen der Befürworter und Gegner dereinst im Rückblick als lächerliche, unverantwortliche, kurzsichtige Rappenspalterei erscheinen lassen.
(* Damit ist nicht etwa gemeint, dass eines Tages der abrutschende Rebberg am Margarethenhügel einen gelben 17-er Tango verschütten könnte … 🙂 )
redbüll meint
bin noch unentschlossen, aber den mit den lediglich 52 sek. nehme ich euch nicht ab.
M.M. meint
Und was änderte sich am Gesamtnutzen fürs Leimental, wenn es nur 48 Sekunden wären oder 62?
h.s. meint
Was ich nicht verstehe, ist warum die Ja-Seite nie bekannt gibt, was die Deckungsgrade von 10-er und 11-er sind. Diese Tramlinien machen Geld für die BLT. Dadurch spart der Kanton beim ÖV. Der Margerethensitch kostet gar nicht 7.3 Mio. Der 17-er wird weniger kosten gehen. Möglicherweise sogar Geld bringen. Wenn wir die Mehreinnahmen durch das höhere Passagiersaufkommen mitnehmen ist der Margerethenstich eine Sparmassnahme. Der Kanton zahlt momentan 0% zins. Wir könnten diese Margerethenstich aus einen ÖV-Fonds bezahlen und die Mehrerträge der BLT als Amortisation rechnen. Am Ende zahlt der Kanton nichts. Es ist der Nützer der 17-er aus den Leimental der bezahlt.
Das Stau Argument ist so oder so hinfällig. Wenn während die Spitzenzeiten mehr Leute auf das ÖV umsteigen, gibt es weniger Auto’s. Der Teslafahrer spart die 52 Sekunden dann schnell ein.
M.M. meint
Das Problem ist, dass man mit solch differnzierten Argumenten nicht durchkommt und die Leute das auch nicht begreifen.
Aber schön haben Sie das jetzt gesagt.
Aber es stimmt: der 17er wird eine gut rentierende Linie werden.