Das war nun wirklich nicht zu vermeiden: „Politiker wollen Timoschenko in der Schweiz behandeln lassen“, titelt das lokale E-Paper.
Und zitiert die in solchen Dingen ebenso unvermeidliche Frau Markwalder, die dem Club „Freundschaftsgruppe Schweiz – Ukraine“ (was es alles gibt) als Co-Präsidentin dient, mit dem Satz: „Wir fordern, dass sich die Schweiz für Frau Timoschenko einsetzt.“
So ist das in der Politik.
Wenn der Medienhype mal so richtig am Dampfen ist, dann nutzen viele die Gelegenheit, sich auch noch schnell vor die Kamera zu werfen.
Besonders dann, wenn die Rollen so klar gezeichnet sind: hier die unschuldige Kämpferin für die Demokratie – blond, mit Zopf – und dort der böse Diktator.
Die Frau mag ja tatsächlich krank sein, aber eben so klar ist, dass wir es auch mit einer schön inszenierten Propagandanummer zu tun haben. Denn nur so kann sie sich Hoffnung machen, die Ukraine zu verlassen.
Und niemand fragt kritisch nach, ob die Frau tatsächlich eine ukrainische Jeanne d’Arc ist, die nichts anderes will, als Demokratie.
Wäre Frau Timoschenko nicht blond und dazu noch ein Mann, würde das Ganze wohl als innerukrainischer Machtkampf unter Oligarchen abgetan.
Wen würde das schon beissen?
Oder hat schon mal jemand davon gehört, dass Russland boykottiert wird, weil Herr Chodorkowski immer mal wieder zu neuen Haftstrafen verurteilt wird?
Fakt ist, dass Frau Timoschenko als eine der reichsten Frauen der Ukraine gilt. Sie hat ihr Vermögen zusammen mit ihrem Mann in den postsowjetischen Umbruchzeiten gemacht.
Und so lief das in der Ukraine:
Anfang der 90er Jahre stieg die derzeitige „Jeanne d’Arc der orangenen Revolution“ in den Treibstoff- und Erdgashandel ein. Einer ihrer engen Geschäftspartner war damals Viktor Pintschuk, gegenwärtig ein führender Oligarch, ukrainischer Medienzar und Kutschma-Schwiegersohn. Sie machte auch die lukrative Bekanntschaft des Gouverneurs von Dnepropetrovsk, Pavlo Lasarenko. Der sorgte dafür, dass Frau Tymoschenko alle größeren Unternehmen seiner Region mit Energieträgern versorgte.
Nachdem Leonid Kutschma 1994 zum Präsidenten gewählt worden war, machte er zwei Jahre später Lasarenko zum Premierminister. Zwar war die politische Liaison zwischen den beiden „Landsmännern“ bereits ein Jahr später zu Ende, aber Julija Tymoschenko konnte das Dnepropetrovsker Sprungbrett für ihre weitere Karriere als Geschäftsfrau nutzen. Sie baute die „Vereinigten Energiesysteme der Ukraine“ (JeESU) zum größten nationalen Energieversorger auf. Der jährliche Umsatz des Unternehmens belief sich zu jener Zeit auf rund 10 Milliarden Dollar.
Ihr werden Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung vorgeworfen und Russland hat sie 2004 auf die Interpol-Fahndungsliste gesetzt, weil sie russisches Militärs bestochen haben soll.
Warum soll man daran zweifeln, dass die Frau nicht tatsächlich Steuern hinterzogen hat? Das Thema ist doch derzeit auch bei uns eine ziemlich heisse Sache, mit Blick auf die Nachbarländer.
Also: Etwas mehr Gelassenheit in dieser Mafiageschichte wäre wohl angebracht.
PS: Ich warte auf den Tag, an dem die Ukraine ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz richten wird, um „illegale“ Gelder der Frau in der Schweiz zu blockieren.
(c) Bild: Wikipedia
Haguhans meint
Zum Thema „sich vor die Kameras werfen“: Ein wahrer Meister in dieser Disziplin, der Herr Bäumle ist auch mit von der Partie. Aber besser nicht zuviel dazu sagen, sonst platzt der wieder, wie weiland in der Arena, als Köppel es wagte die Ukraine in nichtpositivem Zusammenhang zu erwähnen.