Ich meine, mir ist es ziemlich egal, ob der Strom nun aus einem Atomkraftwerk kommt oder von einer Staumauer in den Bergen.
Ich brauche einfach Strom.
Ich halte Atomkraftwerke auch nicht für besonders gefährlich. In dem Sinn, dass ihre Gefährlichkeit andere Technologien bei Weitem schlagen.
Das sind zwei Sätze, mit denen man sich so richtig in die Nesseln setzen kann. Gut möglich jedoch, dass bei aller Inkommidität dieses Ortes er der Platz ist, wo sich die wirklich interessanten, weil ideologie- und glaubensfreien Zeitgenossen tummeln.
Die anti Atomdebatte verstellt irgendwie den Blick auf die gegebenen Umstände im Allgemeinen und die technischen Gefahren im Besondern.
Ehrlicherweise sollte man doch einmal das tun, was empört als Zynismus abgetan wird: tatsächlich mal die Toten, Verletzten und Kranken des Autoverkehrs (weltweit jährlich rund 600’000) gegen jene von Atomkraftwerkunfällen aufzurechnen.
Die Resultat wäre insofern unbequem, als man das Autofahren glattweg verbieten müsste. Oder, wie einst vom letzten Intellektuellen im Bundesrat, Herrn Leuenberger vorgeschlagen, zum Schleichverkehr übergehen.
Oder nehmen wir eine andere Technik, die alle für selbstverständlich erachten: das Handy. Wie viele Tote die Rohstoffgewinnung fordert, sei es bei der Arbeit unter sklavenähnlichen Bedingungen oder wegen kriegerischen Auseinandersetzungen, das wollen wir doch gar nicht wissen.
Und es ist uns ziemlich schnuppe, was mit den gebrauchten Handys, billig wie die nun mal sind, nach zwei Jahren, wenn der Vertrag ausgelaufen ist, passiert. Und all dem anderen Technoschrott.
Wir sind fein raus, weil wir bei dem Müll nicht über ein Endlager abstimmen müssen.
So gesehen, müsste man das Handy verbieten. Oder zumindest diese so lange benutzen, bis sie den Geist aufgeben.
Ja aber die Folgen eines AKW-Unfalls!
Nehmen wir doch Tschernobyl. Ich kenne die Ukraine nur vom Fernsehen. Wenn ich die Bilder aus den Kohlerevieren mit jenen aus Tschernobyl vergleiche, dann kann man unschwer feststellen: In der Ukraine zu leben ist so oder so alles andere als ein Schleck.
Doch stellen wir nur so zur Illustration des Gesagten zwei Meldungen einander gegenüber, Nr 1 zu Tschernobyl:
Die genaue Opferzahl des Unglücks wird wohl wegen der Spätfolgen wie Krebserkrankungen nie genau zu ermitteln sein.
Und Nr. 2:
In der Schweiz erkranken jährlich mehr als 35’000 Menschen an Krebs, über 16’000 sterben daran. Krebs ist – nach Herz-Kreislauf-Krankheiten – die zweithäufigste Todesursache.
Das ist amtlich: Jährlich 16’000 Krebstote ohne Atomunfall – Moment mal, das waren ja seit Tschernobyl 400’000 Krebstote in der Schweiz! (Würden die Leute aufs Rauchen verzichten, sähe die Bilanz um einiges besser aus.)
Die WHO geht von etwa 4000 Todesopfern als Folge des Tschernobyl-Unfalls aus.
Immerhin taugt Tschernobyl inzwischen als Touristenattraktion. Und als Wahlkampfarena für zynische grünliberale Politiker.
Aber ja, ich verstehe, die Langzeitfolgen: wenn schon ein Unfall dann kurz und heftig und dann mit den Besen drüber.
Fertig.
Der Gipfel der anti Atom-Bigotterie der Politiker wird mit der eben anlaufenden Ausstiegsdiskussion angepeilt. Dabei ist die Sache doch recht einfach.
Wenn Atommeiler tatsächlich so gefährlich sind, wie uns jetzt um die Ohren gehauen wird, dann muss man ALLE sofort abstellen.
SOFORT.
Wer davon überzeugt ist, die Dinger seien die Gefahr für die Menschheit schlechthin, aber bedauernd hinzufügt, man könne halt nicht anders, als sich noch fünf oder zehn oder zwanzig Jahre mit dem Abschalten Zeit lassen, ist ein unverantwortlicher Dummschwätzer.
Oder, was ich in den Nesseln denke: es ist zwar grösste Vorsicht geboten, aber die AKW-Risiken sind nicht grösser als andere Gefahren, denen wir tagtäglich ausgesetzt sind.
Mir kommt das alles so vor, wie dieses dumme Geschwätz in gemütlicher Runde übers Abnehmen, das man sich immer dann anhören muss, wenn die Leckereien schon fast alle weggeputzt sind.
Nützlicher Link: Liste von Unfällen in kerntechnischen Anlagen

Hp. Weibel meint
Liegt es vielleicht daran, dass Bauchwissen stärker verbreitet ist (und wird) als Faktenwissen?
In der Rubrik „darf man das?“ könnte man sich ja auch fragen:
– Zur Zeit werden überall Berichte zu 25 Jahren Tschernobyl gezeigt/geschrieben. Meistens verbunden mit Intervies mit sogenannten „Liquidatoren“.
Die erzählen dann, dass sie damals an jedem einzelnen Tag einer Strahlung ausgesetzt waren, die ein Mehrfaches des Grenzwertes betrug. Weshalb fragt
sich dann da kein Journalist, weshalb die nach 25 Jahren noch leben?
– Wenn Herr Bäumle nach Tschernobyl pilgert und in die Kamera mit erstem Blick sagt, dass der Aufenthalt an diesem Ort gefährlich sei und er nur einen
Tag dort bleibe, weshalb fragt ihn dann niemand, ob es auch für den Busfahrer oder den Fremdenführer, die mehrmals wöchentlich solche Gruppen dorthin
begleiten, weniger gefährlich sei?
Darf man solche Fragen stellen?
T.G. meint
Klar DARF man. Nur WILL man offensichtlich nicht. Die bekannte Krankheit von CH-Medienschaffenden.
Heinz Koch meint
Gut gemacht, das hätte ich nicht besser formulieren können.
Raphael meint
Kann mich zwar nicht mit allen Artikeln auf Ihrem Blog identifizieren, aber diese Zeilen sprechen mir aus der Seele.
Vielen Dank!