Wenn wir also in unserer kleinen Betrachtung über die Zeit nach der Arbeit fortfahren, dann befassen wir uns mit den ersten Punkt:
Du bist frei.
Schon mit dieser ersten Tatsache haben die meisten ihre Mühe. Diese Freiheit kommt ihnen keineswegs als solche vor. Sie haben Angst vor der fehlenden Struktur im neuen Alltag. Sie denken, es fehlt ihnen fortan an intellektuellen Herausforderungen.
Das geht doch nicht, immer nur Ferien.
Schliesslich haben wir die calvinistische Arbeitsethik verinnerlicht: Wer nicht tätig ist, führt kein sinnerfülltes Leben. (Weshalb die sogenannten Rentner auch von „Ferien“ reden, wenn sie für eine Woche verreisen.)
Ein Bekannter von mir meinte kürzlich, er habe Angst, ohne seinen Job zu verblöden. Man hatte diesen CEO nach fast zwanzig Jahren im Unternehmen in gegenseitigem Einvernehmen und üppig ausgestatt mit 60 entlassen.
Kurz, viele fürchten sich davor, ohne die kollektivbestimmte Struktur weiterleben zu müssen.
Was ich auch verstehe.
Denn es lebt sich irgendwie schon behaglich und aufgehoben, in unserem sozialkapitalistischen Arbeitsbetrieb. Me chunnt am achti und goht am zwölfi, me chunt am zwei und goht am fünfi, me chunnt am achti und goht am zwölfi, me chunt am zwei und goht am fünfi. Samstag und Sonntag ist frei und auch an Ostern, an Pfingsten an Weihnnachten. Und im Sommer geht man in die Ferien und im Herbst gleich nochmals.
Gut, dank den modernen Kommunikationsmitteln ist man heute 24/7 erreichbar, was einen dazu bringt zu glauben, man sei irgendwie unentbehrlich.
Weg vom Cliché: Selbstverständlich gibt es auch jede Menge Jobs, die einen fordern, wo man etwas bewegen und gestalten kann, die ein faszinierendes Leben ermöglichen.
Ich sagte dem Frischentlassenen bei unserem Abschiedsnachtessen: Betrachte es so: Du bist ab heute auf einer Entziehungskur. 27/7 ist die Formel der Süchtigen, beschäftigt sein mit irgendetwas, ist wie besoffen sein von irgendetwas. Deshalb geht das nicht einfach von einem Tag auf den anderen, dieses „Nichtstun“.
Das muss man sich erarbeiten.
Ich habe als erstes meine Tagesstruktur zerstört. Ich stehe auf, ohne Wecker, einfach wenn’s hell wird. Mittagessen ist nicht mehr um halb eins mit den Nachrichten, sondern irgendwann zwischen drei und vier. Das Nachtessen fällt damit weg. Zwei Mahlzeiten reichen.
Mittagsnachrichten höre ich nur noch selten.
Selbstverständlich kann man den Schritt in die Freiheit rauszögern. Kann bis 70, wie in den Statuten vorgesehen, Verwaltungsrat bei einem Multi bleiben. Oder noch Kanzler oder Ministerpräsident werden. Oder diese oder jene Kommission präsidieren.
Spielt keine Rolle. Denn wie gesagt: Das Endergebnis ist für alle dasselbe.
Früher oder später.
Wird fortgesetzt.
PS: Statt Brot, kann man übrigens auch Kuchen backen.