Die Wirtschaftskammer hat am Sonntag einen grossartigen Sieg eingefahren. Ihr Phantomkandidat Weber hat genau so deutlich gewonnen, wie es repräsentative Umfrageergebnisse hoffen liessen. Aufgrund dieser Zahlen konnte die SVP am letzten Donnerstag kurz vor der Ziellinie generös verkünden, ihr Kandidat werde nicht gegen Herrn Lauber antreten.
Einzelne bürgerliche Wahlkampfhelfer konnten denn letzte Woche kaum mehr an sich halten, vor brustgeschwellter Vorfreude auf den bevorstehenden Wahlsieg ihres Kandidaten.
Bemerkenswert an dieser Ersatzwahl ist zweierlei: zum einen hat die Wirtschaftskammer den Beweis erbracht, dass sie „aus einem Kartoffelsack“ einen Regierungsrat machen kann.
Fakt ist, dass Herr Weber der geradezu ideale Kandidat für diesen Wahlkampf war. Er war der Mann der Stunde, der perfekt ins vorgefertigte Schnittmuster gepasst hat: Farblos, harmlos, unbekannt; die perfekte Projektionsfläche für die Kulisse, in die man ihn gestellt hat.
Das war denn auch der entscheidende Unterschied zum Kandidaten der SP: der ist real, der ist fassbar, der hat eine politische Spur.
Das politische Zentrum im Landkanton befindet sich seit diesem Sonntag wieder an der Altmarktstrasse 96 in Liestal. In nur sieben Monaten hat es Herr Buser geschafft, die alte Ordnung wieder herzustellen. Die Weber-Wahl war seine Masterarbeit.
Herr Buser ist der neue Gysin. Hurra! Hurra! Hurra!
Politiker lieben Wahlkämpfe.
Wahlkampfzeiten bedeuten Auszeiten von der Tagespolitik. Es sind Zeiten, in denen man über den Dingen schweben kann, in denen man auf Podien, in Interviews und mit Ineraten diesen lästigen Alltagskram vergessen. Man kann eine Scheinwelt aufbauen und das Blaue vom Himmel herunter lügen.
Man kann auch so tun, als stände man kurz davor, die Dinge, die aus dem Lot geraten sind, wieder zu richten.
So ganz nebenher wird in Wahlkampfzeiten die Tagespolitik erledigt. Zum Beispiel ein Milliardengeschäft wie die Sanierung der Pensionkasse. Dafür wollten sich die Landräte am Donnerstag EINE Stunde Zeit nehmen. Weil sie gemerkt haben, dass das Geschäft in gewisser Weise wichtig ist, sind jetzt ZWEI Stunden geplant.
Das ist nicht nur deshalb symptomatisch für den Zustand der Politik im Landkanton, sondern auch dafür, wie man mit der finanziellen Realität umgeht.
Der Landrat wird gemäss Vorlage, mit der sich kaum jemand wirklich befasst hat, beschliessen, dass die Milliardenschulden, die man machen muss, nicht wirklich zählen. Weshalb man mit dieser Vorlage beschliessen wird, den Paragraphen 16a auszusetzen, wonach Finanzfehlbeträge abzubauen sind.
Die Baselbieter Politikkaste wird also Schulden machen und gleichzeitig die Absicht festschreiben, diese nie mehr zu tilgen.
Dieses Geschäft berührt das zentrale Thema, über das weder im letzten noch im kommenden Wahlkampf gerdet wurde/wird: Der Landkanton ist pleite.
Es ist absehbar, dass man irgendwann in den nächsten Monaten den Offenbarungseid wird leisten müssen. Was bedeutet, man muss dem Kanton Basel-Stadt darlegen, dass Lieschtel nichts anderes übrigbleibt, als aus dem Uni-Vertrag auszusteigen.
Nicht etwa, weil man etwas gegen den Stadtkanton hat. Sondern weil sich der Landkanton diese Beteiligung objektiv gerechnet nicht mehr leisten kann.
Ab heute herrscht wieder Wahlkampf im Baselbiet und damit für die paar wenigen Aktiven wieder der euphorische Ausnahmezustand. Bis Ende Woche werden 2’000 Lauberplakate gehängt sein, werden die ersten Inserate erscheinen. Bezahlt von der Wirtschaftskammer.
Und so wie es heute tönt, wird das linke Lager heute um 16.00 Uhr eine(n) Überraschungskandidaten_in aus dem Hut zaubern.
Hei, ist das aber toll.
Dann kann man nochmals ein paar weitere Wochen so tun, als ginge es um irgendetwas, kann das linke und das rechte Lager das tun, was sie eh am liebsten tun, den düsteren Alltag vergessen und sich mit sich selbst beschäftigen.
Ich mag nicht mehr hinhören. Es interessiert mich nicht mehr.
Wir gratulieren Herrn Lauber zur Wahl.
cato meint
Ebenfalls mit Verlaub, Herr Gotte. Es kommt relativ häufig vor, dass sich Journalisten falscher Ausdrücke bedienen. MM ist mit der Umschreibung von Herrn Weber als Phantom ein solcher Missgriff unterlaufen. Phantom bedeutet (nach Wikipedia) Trugbild, unwirkliche Erscheinung, Einbildung oder Gespenst. Keiner dieser Begriffe trifft auf den real existierenden Herrn Weber zu. Es hat also keinen Sinn, sich „um’s Verworgge“ an diesen Begriff zu klammern; er ist und bleibt fehl am Platz.
cato meint
Der Beitrag von MM und die Äusserungen zahlreicher Kommentatoren zeigen, wie schlecht gewisse Leute mit den Tatsachen einer Volkswahl umgehen können. MM hat in seinen Polit-Prognosen schon sehr früh den Wahlsieg von E. Nussbaumer vorausgesagt. Er erweist sich nun als schlechter Verlierer, indem er Thomas Weber gering redet (Phantomkandidat) und dafür die Qualitäten der anderen Kandidaten in den höchsten Tönen lobt. Bei vielen Kommentatoren tönt es ähnlich, und insbesondere werden die üblichen Giftpfeile gegen die Wirtschaftskammer und deren Direktor abgeschossen. Die naheliegendste Tatsache, dass nämlich das Volk mit seiner Wahl den Fortbestand einer mehrheitlich bürgerlichen Regierung sichern und Rot-Grün verhindern wollte, wird dabei geflissentlich ausgeblendet. Mit dieser Tatsache lässt sich halt nicht gegen Weber, Buser und die Wirtschaftskammer polemisieren.
gotte meint
mit verlaub: herr buser hat heute die phantom-these selber bestätigt, als er im bz-interview erklärt hat, herrn weber persönlich nicht sehr gut zu kennen…
merlinx meint
Entscheidend ist doch, dass der Kanton BL, dh die wieder komplettierte Regierung und der Landrat, nach den Sommerferien zügig einen soliden Finanzplan erarbeiten und den Bürgern offen wird kommunizieren können, wo noch weiter eingespart und abgebaut werden kann, und, was wahrscheinlicher ist, wo und um wieviel die Steuern und Abgaben erhöht werden müssen.
Dann wird man auch sehen, ob die neue bürgerliche Wahl-Allianz auch für den Polit-Alltag taugt, dh nicht nur, ob und wie diese Parteien ihre jeweils eigene Klientel ausreichend werden befriedigen können, sondern sich auch freuen mögen an der eigenen, durch den Wahlerfolg doch hoffentlich ausreichend gestiegenen Frustrationstoleranz …
(Was die Kantonsfusion betrifft, – das kann man vergessen. Dass sich wenigstens einzelne stadtnahe Gemeinden loslösen und BS anschliessen könnten, wäre wünschenswert und logisch, ist aber Wunschdenken.)
Henry Berger meint
Besonders „nett“ der Spruch der FDP-Parteipräsidentin, man habe Herr Weber fast schon „adoptiert“ – ich glaube, diese Partei – und insbesondere die Baselbieter Version – begreift es nie: Diese widerliche Anbiederung an die SVP bringt unter dem Strich nur Verluste. Ebenfalls aufgefallen: Man trägt jetzt Baselbietertracht – passt ja auch zur „Beschwörung“ der Ballenberg-Baselbieter-Idylle, spielt ja keine Rolle, wenn dies mit der gelebten Realität in der Region soviel zu tun hat, wie die Völkerschauen im Zoo zur Jahrhundertwende.
Und zuletzt: Nett von Herrn Weber, dass er zur Feier seine Mutter mitgenommen hat…oh Sorry, gemäss Bildlegende ist dies seine Frau
gotte meint
puuh, massivst unter der gürtellinie, diese letzte bemerkung.
Henry Berger meint
Sehr geehrte Gotte
Die Bemerkung war sicher nicht sehr nett, aber „massivst unter der Gürtellinie“? Ich weiss nicht recht… Sie scheinen mir extrem hohe ethische und moralische Ansprüche zu haben. Ob man es will oder nicht: Zum Teil sieht man es den Menschen halt an (an den Kleidern, am Gestus etc.) ob sie politisch eher links oder eher rechts stehen, die TrachtenträgerInnen wollen z.B. ja gerade eine politische Einstellung „demonstrieren“ (Ich weiss, es gibt auch linke TrachtenträgerInnen) Bei Frau Weber habe ich mir halt auch meine Gedanken gemacht, die ich wohl aber eher für mich behalten hätte – keinesfalls sollte die Bemerkung frauenfeindlich gemeint sein.
gotte meint
frau weber hat nicht kandidiert. und ja, gewisse gedanken soll man aus respekt vor dem andern, und sei es der politische gegner, für sich behalten.
Henry Berger meint
Ich empfehle Ihnen etwas das Studium der französischen Presse und deren Umgang mit Frau Trierweiler, der Lebenspartner von Herrn Hollande – da ist meine etwas süffisante – und ja meinetwegen auch deplazierte Bemerkung – geradezu harmlos. Immerhin möchte ich darauf hinweisen, dass der Wahlsieg von Herrn Weber glänzend inszeniert wurde: Uniformträger, Baselbieter Tracht und dazwischen Herrn und Frau Weber. Ich weiss nicht, ob ich meinen eingetragenen Lebenspartner bei einer allfälligen Wahl so mit-präsentieren würde….dazu ist niemand gezwungen.
Falls es immer noch Personen gibt, welche meine Bemerkung ungehörig und frech halten: Ich entschuldige mich hier in aller Form und insbesondere auch bei Frau Weber für meine Bemerkung in meinem ersten Posting. Insbesondere lege ich Wert darauf, dass mein Posting in keiner Art und Weise frauenfeindlich gemeint war.
gotte meint
im unterschied zu frau trierweiler hat frau weber meines wissens weder je eine politische talkshow moderiert noch hat sie sich mit öffentlichen twitter-kommentaren in politischen fragen in die nesseln gesetzt. und jetzt noch zum schluss: selbst wenn sie ihr posting nicht frauenfeindlich gemeint haben, es war und ist genau das. aber sie haben ja eingesehen, dass es missglückt war.
suburbansky meint
Herr Gauck hat jüngst ein schönes Wort gebraucht: Tugendfuror.
Siro meint
ich hoffe, sie würden ihren kommentar bezüglich ihrer partnerin auch nicht akzeptieren.
Henry Berger meint
Ich würde es wohl überleben, wenn jemand zu einem Foto von meinem Partner und mir sagen würde, dass es nett sei, dass ich mich mit meinem Vater fotografieren lasse habe…
Etwas viel Postings zu einem missglückten Posting…..
Siro meint
mir ist neulich im facebook auch ein post übel missglückt. als ich einen zeitungsartikel kommentierte, ohne ihn gelesen zu haben, weil ich meinte, es gehe um etwas anderes. der empörung der kommentatoren musste ich recht geben und mich entschuldigen. kann passieren …
gotte meint
die macht der wirtschaftskammer hat etwas beängstigendes. mein wunsch an buser: er möge seine macht, anders als sein vorgänger, wenigstens konstruktiv nutzen und den kanton mal mit inhaltlichen ideen weiterbringen.
liberopoulos meint
Wer den sportlichen und beruflichen Werdegang von Buser kennt, der weiss, es geht ihm primär um sich. Mitstreiter werden ausgenutzt und wenn man sie nicht mehr brauchen kann, einfach fallen gelassen. Gysins Sozial-Kompetenz geht Buser völlig ab, weshalb er sich auch gerne über „seine“ Gewerbler lustig macht. Aufgrund seiner Intelligenz und Machttriebs wird er die Maschinerie Wirtschaftskammer bestens zu seinen Gunsten nutzen, ob es auch zum Nutzen des Kantons ist, glaube ich weniger.
Christoph Schwegler meint
Und, last but not least, hat – was offenbar niemand erwähnenswert findet – ein Fusions-Gegner gewonnen! Die Classe Politique und ihre Profiteure fürchten eben bei einer Fusion – zu Recht! – um ihre Pfründe.
U. Haller meint
Was mir auch heute noch sauer aufstösst und mir etliche Bekannte, Liberale (wie ich) allesamt, im Domdorf bestätigen, ist die unselige Machterhaltungsmaschinerie der drei bürgerlichen Parteien (oder gibt es da nicht noch eine vierte, unbedeutende Kraft?). Ich könnte es nicht besser ausdrücken als ein Freund, der mir dies unlängst so definiert hat: Treueschwur der CVP –> Synonym für Meineid. Treueschwur der FDP –> Kotau vor der SVP. Und so was widert an. Nicht nur mich.