Gestern Abend in Rom angekommen und dann dieses Bild aus dem Baselbieter Landrat: Vertreter der SVP und der FDP und die REGIERUNGSRÄTE (!) intonieren im Landratssaal die Baselbieter Nationalhymne.
Stehend.
Mein erster Gedanke: Der Osten steht auf.
Die hatten sogar zwei Polizisten aufgeboten, weil „man“ Querelen erwartet hatte. Als befänden wir uns in der Ukraine in einem Provinzkaff.
Ach wie dünn ist das demokratische Eis, auf dem wir uns bewegen!
Die FDP hat sich mit diesem symbolischen Akt gestern im Landrat endgültig und unwiderruflich entschieden, zusammen mit der SVP eine Einheitspartei mit zwei Namen zu bilden.
Gestern hat sich die FDP von ihrem Fusionszukauf „Die Liberalen“ getrennt.
Ich werde diese Partei nie mehr wählen.
Nur einer blieb erkennbar sitzen bei der FDP, der Arlesheimer Balz Stückelberger. Kaum zu glauben, dass dies jetzt auch bei uns Mut braucht.
Aber dann ist er aufgestanden und hat gesagt, was ein Liberaler sagen muss: Stillstand ist keine Option.
Sehr geehrte Frau Landratspräsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen
Ich bin heute nicht nur Einzelsprecher, sondern auch einziger Sprecher der FDP Fraktion, der einer Fusionsidee offen gegenübersteht. In der FDP Baselland sind die Mehrheitsverhältnisse etwas weniger deutlich. Zwar lehnt gemäss einer Konsultativabstimmung eine Mehrheit die Fusionsinitiative ab. Eine beachtliche Minderheit steht der Initiative allerdings wohlwollend gegenüber, weshalb ich mir erlaube, an dieser Stelle die entsprechende Haltung zu vertreten.
Natürlich verstehe ich, dass das Projekt einer Kantonsfusion grosse Emotionen weckt, hüben wie drüben. Doch Emotionen sind ein schlechter Ratgeber, wenn es darum geht, eine derart weitreichende Entscheidung zu treffen.
Sowohl die blinden „Fusionsturbos“ als auch die tapferen „Siebedupf-Chauvinisten“ lassen sich primär von Emotionen leiten und weniger von sachlichen Argumenten. Ich bin überzeugt, dass zwischen diesen beiden Extrempositionen Raum für eine pragmatische Sichtweise bleibt; eine Sichtweise, wie ich sie vertrete, und die im Übrigen auch von den bikantonalen Wirtschaftsverbänden sowie von einigen grossen, global ausgerichteten Unternehmen getragen wird.
Es dürfte unbestritten sein, dass ein Zusammengehen von Organisationen oder Gemeinwesen grundsätzlich sinnvoll sein kann – mit der Betonung auf „kann“. Denn – und hier unterscheide ich mich von den Fusionsturbos – eine Fusion muss zwingend einen Mehrwert bringen, sonst macht sie keinen Sinn. Sie muss also eine „Fusionsdividende“ abwerfen, z.B. in Form von Effizienzgewinnen, Kosteneinsparungen oder einer erhöhten Marktmacht.
Ich erwarte, dass bei Annahme der Initiative oder des Gegenvorschlages die Arbeiten mit dem Fokus auf eine maximale Fusionsdividende aufgenommen werden. Heute wissen wir nicht, ob sich solche positiven Effekte erzielen lassen. Befürworter und Gegner sind zwar überzeugt, dass sie die Antwort bereits kennen. Um die Fakten wirklich in Erfahrung zu bringen, muss aber dieser erste Schritt der Fusionsprüfung gegangen werden.
Lehnen wir aber bereits diesen Schritt ab, vergeben wir uns und damit dem Baselbiet eine grosse Chance. Ein Nein zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Bekenntnis zum Stillstand, und Stillstand darf nicht die Zukunftsvision meines Baselbiets sein. Ein Ja hingegen ist noch kein Ja zur Fusion, sondern ein Ja zur Prüfung einer dynamischen Zukunft unseres Kantons. Ich empfehle deshalb, sowohl der Initiative als auch dem Gegenvorschlag zuzustimmen.
Zum Schluss noch ein Wort zu unserer Regierung und allen anderen, die nun plötzlich das hohe Lied der Zusammenarbeit mit Basel-Stadt singen, weil sie meinen, damit das Thema Fusion umschiffen zu können. Die Absicht ist zwar löblich, allein – mir fehlt der Glaube.
Wir haben in letzter Zeit in diesem Saal viele Beispiele erlebt, die nicht gerade auf einen unbändigen Zusammenarbeitswillen schliessen lassen. Ich erinnere nur daran, dass unsere Regierung auf mehreren Seiten begründet hat, weshalb eine Fusion der statistischen Ämter der beiden Halbkantone auf keinen Fall denkbar und unbedingt abzulehnen sei. Offensichtlich braucht es tatsächlich eine Fusionsinitiative, damit sich alle einen Ruck geben und wir tatsächlich einen grossen Schritt weiterkommen.
Draussen regnet es in Strömen.
Franz meint
Ich bin entsetzt mit welchem Populismus die letzte Landratsdebatte über die Bühne ging. Allein das Morgengebet hat gefehlt, ansonsten hätten die angeblichen Volksvertreter die Kaffeepause durch eine Tea-Party ersetzen können. Erschreckend wie nahe Patriotismus und Paraidiotismus sind. Bedenklich mitanzusehen, dass eine solche nationalistisch Show dem Steuerzahler in Rechnung gestellt wird. Gibt es in der Tat in unserer kleinen Schweiz verschiedenklassige Bürger nur wegen einer Kantonsgrenze? Man kann gegen eine oder für eine Fusion der beiden Basel sein. Man kann um sein Mandat fürchten, die Habgier nach Geld und Macht verteidigen, alles verständlich aber bitte mit Niveau! Die ganze Chose wäre doch so einfach, mit dem Kopf ein Basler mit dem Herzen ein Baselbieter. Mit Verlaub, ist es nicht eine Zumutung, dass ich im Februar diese egoistische Horde auch noch wählen soll? Ich denke der Kehrichteimer ist diesmal die geeignetere Urne für die Wahlzettel.
Diese blamable Show lässt die Chinesische Nationalversammlung direkt als demokratisches Vorbild erblühen. Das ehrenwerte und schöne Baselbieter Lied wurde durch diese kakaphone Polit-propaganda peinlich desavouiert. Fusioniert oder selbständig, wollen wir diesen Populismus wirklich? Bleibt alleine zu hoffen, dass die peinliche Sängerschar mit Requisiten Made in China aus echter patriotischer Überzeugung ihr Taggeld in der desolaten Staatskasse belassen hat. Nein? Dann diente dieser Spektakel wohl nur den eigenen monetären Partikularinteressen. Egal wie unsere Zukunft gestaltet wird, bitte demokratisch und nicht populistisch, bitte mit Parlamentariern als Respektpersonen und keine Clowns!
Pascal Weber meint
Eine solche Pegoraro-Schneeberger-HingefüreLiedliträllernde-FDP braucht wirklich kein Mensch mehr. Konservativ sind andere – und erst noch besser.
In BL öffnet sich seit Jahren – noch viel extremer als in anderen Kantonen – immer mehr eine liberale Marktlücke. Ich als Liberaler kann nur darauf hoffen, dass die wiedermal jemand besetzt, bis dahin wähle ich den Balz!
K. Kirchmayr meint
Kopf hoch lieber MM. Bei der jungen FDP in BL und BS wächst eine gute Truppe mit intakten liberalen Genen nach. Ich konnte die jungen Menschen kürzlich näher kennenlernen und war positiv überrascht. Vielleicht sollten Sie das „nie“ durch „… die nächsten 15 Jahre…“ ersetzen….
Gerhard Schafroth meint
Wie kann sich die FDP noch „freisinnig“, „demokratisch“ und „liberal“ nennen?
Diese Partei setzt sich nämlich dafür ein, dass der gegenüber der Fusionsinitiative für das Baselbiet wesentlich verbesserte Gegenvorschlag dem Baselbieter Stimmvolk nicht unterbreitet werden soll. Begründung: Der Gegenvorschlag hat die bessere Chance angenommen zu werden, also sorgen wir (FDP) dafür, dass dieser Vorschlag den Stimmbürgern gar nicht erst zur Auswahl gestellt wird.
gerbi meint
Und wieso soll eine Fusion liberal sein? Einfach weil das Staatsgebilde grösser ist, soll es „liberaler“ sein? Nach dieser Logik müssten grosse Kantone wie Waadt oder Bern „liberaler“ sein und eine tiefere Staatsquote haben als kleinere Kantone. Basel-Stadt kennt eine höhere Staatsquote, höhere Steuereinnahmen und eine wesentlich höhere Regelungsdichte – wieso ist es „liberal“, diesen Zustand auch bei uns anzustreben? Oder habe ich ein falsches Verständnis von „liberal“ ? Oder glauben Sie, dass mit einer Fusion die Staatsquote sinkt, der Staat sich bei den Steuereinnahmen zurücknimmt und generell die Verwaltung verschlankt? Wieso haben denn gerade kleine Kantone generell (mit Ausnahmen) eine tiefere Staatsquote? Vielleicht handelt die FDP mit ihrer Ablehnung eben doch liberal.
gotte meint
Es geht nicht um die fusion, es geht um denkverbote, verratsrhethorik, dächlikappen und die zuflucht in symbolik als zeichen einer sprachlosen hilflosigkeit. Ist das die partei, der wir den bundesstaat verdanken?
Chienbäsebaerti meint
Diese Partei hat sich längst (ich meine seit der Sharholder-Attacke von Ebner/Blocher) vom Übervater vom Herrliberg ins Bockshorn jagen lassen.
Chienbäsebaerti meint
Trotz mehrmaligen Lesens habe ich in Schafroth’s Kommentar nichts davon gesehen, dass die Fusion liberal sein soll. Also vor dem kontroversen Kommentieren gründlicher Lesen! Was Schafroth mit Recht anprangert und das kann auch für Ihren Kommentar gelten: Es ist nicht überall LIBERAL drin, wo LIBERAL drauf steht.
LIBERAL verkommt mehr und mehr zum Unwort des Jahrzehnts.
Gerhard Schafroth meint
Liberal ist für mich eine Partei, die sich dafür einsetzt, dass möglichst viele Personen eine möglichst grosse Freiheit haben, ihr Leben und ihr Lebensumfeld so weit wie möglich selber zu gestalten. Durch ihre Ablehnung des gegenüber der Fusionsinitiative wesentlich verbesserten Gegenvorschlages will die FDP den Stimmbürgern ganz bewusst nicht die Freiheit lassen, zwischen der bestmöglichen Vorgehensweise einer Fusion und der Nicht-Fusion frei zu wählen. Dies ist für mich eine undemokratische und unliberale Bevormundung der Stimmbürger.
gerbi meint
die grünliberalen haben „grün“ und „liberal“ im namen drin. sie setzen sich für die fusion ein, egal ob mit 100 oder 120 verfassungsräten. bei einer fusion werden zwei staatsapparate zusammengelegt, es gibt weniger wettbewerb. liberal heisst, möglichst konkurrierende staatsapparate zu haben, die sich in schach halten. ich kenne firmen und private, die aus den verschiedensten regulierungs-gründen von BS nach BL gezogen sind aber auch umgekehrt von BL nach BS. es ist liberal, wenn man den leuten diese fluchtmöglichkeiten lässt. wer mit der schule unzufrieden ist, das bewilligungswesen im bereich xy als extrem bürokratisch empfindet, die steuern zu hoch findet usw. kann nur weiter weg gehen (AG, SO), die hemmschwelle wird erhöht und umgekehrt kann der neue grosskanton ungehemmter an der regulierungsschraube drehen. – und an dieser schraube drehen alle, inklusive die dächlikappen-träger und maibaum-aufsteller
Gerhard Schafroth meint
Liebe gerbi
Bin völlig einverstanden, dass Konkurrenz und Wettbewerb zu besseren Lösungen führen. Dies als Ausdruck einer liberalen Grundhaltung. Das ist aber nur eines unter vielen Argumenten für oder gegen die Fusion. Zustimmen oder ablehnen können wir die Fusion, wenn der Vorschlag der neuen Verfassung und der wichtigsten Gesetze auf dem Tisch liegen. Jetzt geht es erst einmal nur darum, das Verfahren der Fusions-Vorbereitung festzulegen. Und da beharre ich auf meinem Standpunkt: Die FDP handelt unliberal und undemokratisch, wenn sie den viel besseren Gegenvorschlag des Landrates zur Fusions-Vorbereitung einzig und allein deshalb ablehnt, weil sie den Stimmbürger nur die mangelhafte Fusionsinitiative zur Auswahl stellen will. Diese Polit-Taktiererei ist eine unwürdige Bevormundung der Stimmbürger.
Sissacher meint
Der mit Dächlikappe und Clown-Krawatte war der Born, 5.-Nachrückender und als Sissacher muss ich mich arg fremdschämen.
Henry Berger meint
FDP-Stimmen für Gross- Landrats- oder Nationalratswahlen kommen sehr häufig von veränderten CVP, GLP, Grünen oder SP-Wahllisten. Man könnte z.B. durchaus behaupten, Frau Schneeberger verdankt ihre knappe Wahl solchen Panaschierstimmen. (Vgl. dazu auch die Wahl von Peter Malama sel. in den Nationalrat mit 49.6% der Stimmen von Fremdlisten – gegenüber SVP-Kanditaten mit einem Fremdstimmenanteil zwischen 2.1 und 7.5% !!).
SVP-Wähler legen in der Regel jedoch in weit überwiegendem Mass unveränderte SVP-Listen ein*.
Checkt die Baselbieter FDP denn das nicht? Hofft sie darauf, dass SVP-Wähler „ihre“ Listen mit FDP-lern panaschieren? – da können sie lange hoffen…..
Ich wohne nicht im Kt. BL könnte mir aber z.B. als SP-Wähler sehr gut vorstellen, Herr Balz Stückelberger auf „meine“ SP-Liste zu setzen, ganz sicherlich jedoch nicht Vertreter einer FDP, welche einen solchen penetranten Schmusekurs mit der SVP fährt.
* man könnte jetzt böse sein, und hier unterstellen, dass ein Grossteil der entsprechenden WählerInnen gar nicht weiss, dass man kumulieren und panaschieren kann
Henry Berger meint
Sorry, noch kleine Korrektur zu den obigen Zahlen: Der gewählte Sebastian Frehner von der SVP erzielte 13.4% Fremdstimmen
Städter meint
Das ist die Essenz : “ eine Fusion muss zwingend einen Mehrwert bringen, sonst macht sie keinen Sinn. Sie muss also eine „Fusionsdividende“ abwerfen, z.B. in Form von Effizienzgewinnen, Kosteneinsparungen oder einer erhöhten Marktmacht. “
Endlich mal einer, der das öffentlich so klar auspricht. In Gesprächen mit den Initianten der Initiative erkannte ich diese Aspekte zuwenig bislang, und habe dies dem Hr. Bachmann auch kürzlich mal mitgeteilt. Vielleicht bewegt sich nun auch dort etwas.
gotte meint
mit dieser vereinnahmung der baselbieter symbolik erweisen die herren dem baselbiet letztlich einen bärendienst. meinen sie, dass sie in dächlikappen von der übringen schweiz, geschweige denn von möglichen ausländischen investoren, auch nur im ansatz ernst genommen werden? glauben diese patrioten, die nicht nur sich, sondern durch ihre clownesken auftritte auch das baselbiet insgesamt zum affen machen, ernsthaft, dass sie den anliegen des kantons im 21. jahrhundert dienlich sind? natürlich darf man auch gegen die fusion sein. man muss aber deswegen das parlament nicht zur zirkusarena machen. und man wäre bedeutend glaubwürdiger, wenn man mit argumenten aufträte statt mit einem veiztanz mit aus china produzierten folklore-requisiten. wenn das so weiter geht, dann schäme ich mich bald, eine baselbieterin zu sein! und die fdp? effektiv, unwählbar.
Henry Berger meint
Liebe Gotte – stimme Ihrem Kommentar zu. Insbesondere ist es ja interessant, dass kurz hinter Delémont das Wissen um zwei Halbkantone BL und BS rapid abnimmt und man im Waadtland oder Neuenburg häufig vom Canton de Bâle spricht….
Chienbäsebaerti meint
Mir geht es genau so: auch für mich hat sich gestern die FdP von einer liberalen Grundhaltung verabschiedet und ist unwählbar geworden. Dass das ganze nicht nur einer Zirkusarena gleicht, sondern möglicherweise Gotthelf’sche Streit-Dimensionen annimmt, haben auch die Büder Schafroth gezeigt, als der Jüngere Gerhard dem Älteren Peter (erfolglos) auf die Sprünge helfen wollte.
Einen sackschwächen Auftritt leistete sich auch die Frau Präsidentin: wenn sie beim Veitstanz schon nicht zur Glocke greifen mochte, hätte sie das Affentheater wenigstens anschliessend rügen und tadeln dürfen.