Ich meine, die sind ja keineswegs ein Anlass zur Freude, diese Abstimmungsergebnisse zur Autofahrerei in Basel-Stadt.
Jedoch: Dass die Dominanz von link-grüner Politik in Basel-Stadt derart krass bestätigt wird, war irgendwie vorhersehbar.
Aus dem einfachen Grund, weil sich der Gewerbeverband, und in dessen Schlepptau die Bürgerlichen, in Sachen Urbanität schon seit Jahren auf dem Holzweg befinden.
Ich habe im August letzten Jahres darüber geschrieben: @seiler_daniel: Weshalb die FDP die urbanen Wähler nicht versteht.
Das war Wochen vor dem Debakel in den Nationalratswahlen.
Vielleicht wäre es jetzt, wo die Verkehrsweichen für den Individualverkehr für die nächsten zehn Jahre gestellt sind, an der Zeit, endlich umzudenken.
In einem ersten Schritt wäre es gut, sich von der Fixierung zu lösen, es gäbe so etwas wie eine links-grüne Dominanz.
Die ist lediglich eine der möglichen Interpretationen der Abstimmungsergebnisse.
Tatsache ist jedoch, dass sehr viele sogenannter linker und grüner Positionen schon längst im Mainstream angekommen sind.
Weshalb beispielsweise die Annahme, nur Grüne und Linke würden Velo fahren, bürgerliche Wähler hingegen Autos, geradezu absurd ist.
Die Frage ist deshalb, wie schief das politische Angebot der Bürgerlichen (und des Gewerbeverbandes) in der politischen Landschaft liegt.
Aufgrund der letzten Abstimmungs- und Wahlergebnisse kann man ohne lange überlegen zu müssen, sagen: ziemlich schief.
Dabei bin ich davon überzeugt, dass in den wichtigen gesellschaftlichen Zukunftsfeldern dieses Jahrzehnts (Dekarbonisierung der Wirtschaft, Digitalisierung des Gesundheitswesens, demographische Entwicklung, Partizipation der Quartierbewohner am politischen Prozess, Bildungsoffensive, Wohnungsbau usw.) die Bürgerlichen die weitaus gescheiteren Antworten finden werden, als die sektiererischen Grünen und die jetzt nachrückenden neomarxistischen Sozialdemokraten.
Zur bürgerlichen Standortbestimmung gehört, dass die FDP unverzüglich ihr Verhältnis zum Gewerbeverband klärt.
(Nebenbei: So lange die LDP lediglich auf Kosten der FDP zulegen kann, gehört sie ebenfalls zu den bürgerlichen Verlierern.)
Sollte das Neujustieren nicht sofort beginnen, dann steht den Bürgerlichen im Herbst ein kollektives Debakel bevor.
Die FDP muss beim nächsten Wahltermin vom 20. Oktober 2020 mit dem Worst Case-Szenario rechnen: Den Verlust des Sitzes in der Regierung und Verluste im Grossen Rat.
Die CVP rudert im selben Boot, die SVP – ach Schwamm drüber über den Restbestand.
Was den Gewerbeverband anbelangt, so muss auch der zwingend über die Bücher.
Die Zeichen stehen auf Neuanfang.
Der muss sofort eine Strategiekommission einsetzen, welche unter dem Titel „Gewerbe 2030“ bis nach der Sommerpause die Frage beantwortet: Wie muss der Verband aufgestellt werden, um politisch und dienstleistungsbezogen den Wandel des Gewerbes aufgrund disruptiver Technologien und neuer Angebote begleiten zu können.
Und dies in einem Stadtkanton, wo sich der Wandel weitaus stärker und schneller akzentuieren wird, als zum Beispiel im Landkanton.
Ja – und zu dieser strategischen Neuausrichtung gehört auch, die Wachablösung an der Verbandsspitze und in der Leitung des Verbands vorzubereiten.
Weder Marcel Schweizer noch Gabriel Barell sind länger zu halten.
(Ich kenne beide sehr gut, weshalb ich es sehr bedaure, dass sie mit ihren politischen Interventionen fast schon erniedrigend gescheitert sind.)
Klaus Kirchmayr meint
Und in der Agglo sind die „Bürgerlichen“ drauf und dran in die gleiche Sackgasse zu fahren wie in der Stadt (einfach mit 10 Jahren Verzögerung). Die Lebenswirklichkeit dreht sich heute halt nicht nur ums Auto…
Tim Cuénod meint
Wüsste nur gerne, wen was und wieso MM anspricht, wenn er von den “ jetzt nachrückenden neomarxistischen Sozialdemokraten“ schreibt. Wieso die Bürgerlichen zu den genannten „Zukunftsfeldern des Jahrzehntes“ die weitaus gescheiteren Antworten finden werden (nicht nur können: werden!), bleibt sein Rätsel.
Meury Christoph meint
«Die Zeichen stehen auf Neuanfang«, das ist wohl die Kernaussage von MM’s Analyse. Ein Weckruf! Die Welt hat sich bewegt. Aber hallo! Die grosse Mehrheit der Bevölkerung pfeift auf die Politik des Gewerbeverbandes und der Restbürgerlichen. Also müssten die Rädelsführer endlich in Klausur gehen und sich neu erfinden. Vielleicht kämen sie am Schluss sogar zur Erkenntnis, dass die Politik von Basta-SP-Grüne gar nicht so desaströs ist, wie bis sie gemeinhin angenommen haben. Immerhin ist die verteufelte linke Politik fast deckungsgleich mit der Bevölkerungsmehrheit.
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Als Memo für den Gewerbeverband: Fahrzeuge mit fossilen Brennstoffen werden in unmittelbarer Zukunft ein Auslaufmodell sein. Das sehen auch die Autohersteller so. Volkswagen, BMW und Daimler haben Pläne bekanntgegeben, die auf nichts Geringeres hinauslaufen als eine Auslauffrist für den Verbrennungsmotor sowie die Masseneinführung des Elektrofahrzeugs im Verlaufe des kommenden Jahrzehnts anzukündigen. Volkswagen, wo man die schwindelerregend Summe von 80 Milliarden Euro für diesen Übergang bereitgestellt hat, sagt, man werde bis 2025 fünfzig neue batteriebetriebene Fahrzeugmodelle auf dem Markt haben, und erwartet beim Verkauf der Markenmodelle VW, Skoda, Seat, Audi und Porsche 2029 die 22-Milliarden-Marke zu überschreiten. Daimler hat 42 Milliarden Euro bereitgestellt, um in den nächsten Jahren Elektrofahrzeuge auf den Markt zu bringe; beim BMW sind es 50 Milliarden, hier will man bis 2025 zwölf Elektrofahrzeuge auf den Markt bringen. Die E-Mobilität ist die unmittelbare Zukunft und damit ein Fakt. Parallel dazu läuft die Forschung zur Herstellung von Batterien, welche ohne Kobalt, Lithium oder andere seltenen Erden auskommen, leichter sind, längere Einsatzzeiten haben, grössere Reichweiten erreichen, einer Zweitverwertung zugeführt werden und danach ordentlich und umweltverträglich entsorgt werden können. Die öffentliche Hand wird ihren Beitrag leisten und vermehrt Photovoltaik-Anlagen auf öffentlichen Bauten und auf Industriebauten einfordern, um den Strom ökologisch-sauber und unmittelbar vor der eigenen Haustüre zu produzieren. Auf öffentlichen Parkplätzen werden Ladestationen eingerichtet werden. Damit sind die ersten Schritte in eine neue alternative Mobilitätszukunft getan.
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Motto für den Gewerbeverband: Wir hören auf über Probleme zu lavieren, wir lösen sie! Und, wir vergraben das Kriegsbeil und sind Teil der Lösung!