Schneller als gedacht, verzieht sich der Nebel. Seit die drei Parteipräsidenten der Bürgerlichen gestern Nachmittag Frau Gschwind zur gemeinsamen Kandidatin bestimmt haben, laufen die Telefone heiss.
Der Ärger ist gross. In der SVP und auch in der FDP.
Vielleicht muss man mal einflechten, dass so ein Parteipräsidentenamt ein ziemlich mühsames Geschäft ist. Weil dem so ist und das Amt dazu noch mit einer gewissen Einsamkeit einhergeht, neigen Parteipräsidenten dazu, mit der Zeit ihre Welt von Wille und Vorstellung als Realität zu interpretieren.
Und driften immer weiter weg von der Wirklichkeit.
Wenn also drei solcherart einsame Herzen, um es ein wenig plakativ auszudrücken, zusammensitzen, um unsere aller Zukunft zu planen, dann darf man das Harmoniebedürfnis dieser öffentlich geschundenen Seelen nicht unterschätzen.
Trotzdem, Einzelkämpfer Kämpfer, der Präsident der SVP hat in der Ausmarchung mit der FDP fünf grundlegende strategische Fehler gemacht.
Der erste Fehler des Herrn Kämpfer: Er ist der Mär aufgesessen, im Baselbiet sei nur eine FDP-Kandidatin wählbar. Mit dieser Behauptung hat sich der starke Mann der Volchspartei am Freitag im Parteisekretariat der FDP doch tatsächlich in die Defensive treiben lassen.
Was zu einer irrationalen Interpretation der Fakten führt.
Einschub: Ich habe in den letzten Wochen verschiedene Leute nach dem beruflichen Hintergrund von Frau Mall gefragt. Das Erstaunliche – niemand weiss nichts genaues. Selbst Landräte, die mit ihr zu tun haben und in den letzten Monaten hätten mal nachfragen können, meinten: „Keine Ahnung“.
Und dann hat man mich gefragt, ob ich denn was wisse.
Was (von Männern) kolportiert wurde, ist also ein Bild von einer Frau, die nicht unbedingt mit Intelligenz geschlagen sei. Sekretärin sei sie gewesen, bei Moritz Suter. Und dann halt noch diese chinesische Akupunktursache.
So ein Bild setzt sich fest und wird dann irgendwann zur (fast schon rufschädigenden) Gewissheit. Das ist der zweite Fehler des Herrn Kämpfer.
Dabei sieht die Sache so aus: Frau Mall hat nach der Matur bei verschiedenen Banken im Welschland und im Ausland als Kundenberaterin gearbeitet und wurde mit 25 Assistentin von Moritz Suter. Jeder weiss, der Moritz Sutter kennt, dass man bei diesem Mann durch eine Schule des Bussineslebens geht. Wäre Frau Mall ein Mann, wäre das ein wichtiger Leistungsausweis. Das war er auf jeden Fall für die Roche. Nach vier Jahren bei Moritz Suter wurde Frau Mall via einen Headhunter von Henri B. Meier, dem damaligen Finanzchef, in die Roche geholt. Da war sie 29. Anschliessend war sie Filialleiterin einer Bank in Baselland. Dann studierte sie zwei Jahre Jus in Fribourg und ja, fast vergessen: drei Kinder hat sie auch noch, was bei Frauen bekanntlich zu einem Unterbruch in der beruflichen Karriere führt. Derzeit studiert sie Jus an der Uni Bern fertig.
Weil Herr Kämpfer diesen Lebenslauf nie öffentlich gemacht hat, ist dies der dritte Fehler des Herrn Kämpfer.
Der vierte Fehler des Herrn Kämpfer: Er ist nicht mit der Bildungspolitikerin Mall in die letzte Ausmarchung von Freitag gezogen, sondern mit Herrn Straumann.
Der ist Polizist.
Wow.
Denn genügend Schubkraft für einen Themenwahlkampf und damit für seine SVP-Kandidatin gäbe die Frage, die von 99 Prozent der bürgerlichen Wählerschaft sofort mit Ja beantwortet wird: Soll die Bildung nach all den Wüthrich-Jahren nicht endlich in die Verantwortung einer Bürgerlichen? Da hätte wahrscheinlich auch die CVP mitgemacht.
Das ist der fünfte Fehler des Herrn Kämpfer.
Nun ist die Ausgangslage die, dass BDP, CVP, FDP, GP und SP voraussichtlich acht Kandidaten und Kandidatinnen in den Wahlkampf schicken werden, dazu kommen noch Einzelmasken.
Mit anderen Worten: Kein Bisheriger kann bei einer solchen Fülle an Kandidaten sicher sein, dass er oder sie wieder gewählt wird. Mal abgesehen von Herrn Lauber, dessen Mittebündnis hochverkracht auseinanderfallen müsste, damit ihn dieses Schicksal ereilt.
Mit Frau Gschwind, der man die Fähigkeit fürs Regierungsamt gewiss nicht absprechen kann, stösst nun eine Kandidatin ohne klares Departmentsprofil zur bürgerlichen Truppe. Was bedeutet: Sie kann sowohl Frau Pegoraro als auch Herrn Weber und gewiss auch Herrn Reber gefährden.
Frau Gschwind ist eine ich-bin-für-alle-Direktion-offen-Kandidatin. Und das ist in dieser besonderen Wahllage, ich hab’s schon mal geschrieben, das falsche Profil.
Während die FDP und die SVP (zusammen mit der CVP) mit Frau Mall den Angriff auf die Bildungsdirektion hätten starten können und damit – öffentlich manifestiert – die eigenen Bisherigen nicht gefährdet hätten, richtet sich die Gschwind-Kandidatur gegen die eigenen Regierungsvertreterin, sprich gegen Frau Pegoraro. Schliesslich haben in den letzten Monaten die Parteipräsidentin der FDP und etliche Parteigranden Pegoraro-demoniterend rumgeeiert.
Und dann ist da ja noch immer diese Honoraraffäre, die offensichtlich bis nach den Wahlen ausgesessen werden soll.
Ich bleibe dabei: Die Tage von Herrn Kämpfer als Parteipräsident sind gezählt.
Und Frau Gschwind ist, wenn überhaupt, erst nächsten Donnerstagabend Regierungsratskandidatin der Bürgerlichen.
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Nachtrag Sonntagmorgen. Weil es ein amüsanter Gedanke ist: Herr Kämpfer hat angesichts der bedenklichen Personalsituation in seiner Partei eingesehen, dass das dieses Mal echt nichts wird mit dem Regierungsrat. Frau Mall, hat er gedacht, wäre zwar die ideale, weil plakattaugliche Kandidatendarstellerin. Aber nach gewonnener Wahl, was ja durchaus möglich wäre, xhundert Leute führen in einer mit Linken durchsetzten Bildungsdirektion? Das kann die Frau mangels Führungserfahrung definitiv nicht.
Dann hatte er als Alternative zu seiner Rechten diesen Polizisten. Als er – in Gedanken – zu dem rüber schaute, da ist ihm ein kalter Schauder den Rücken runter. Ein Polizist vom Polizeiposten was-weis-ich als Vorsteher schwups im Polizeidepartement? Da hupen ja sämtliche Schuggerkarren.
Nun hatte Herr Kämpfer ziemlich klare Signale, dass wenn er die Frau Mall, dann könnte die CVP diese statt die FDP-Dame auswählen. Weshalb Herrn Kämpfer gar nichts anderes übrig blieb, als auf Herrn Straumann zu beharren. Was man, wie gesagt, angesichts der Personalnot bei der SVP irgendwie verstehen muss.
Flophil meint
Der gute Herr Dominik Straumann, der Baselbieter Hansdampf in allen Gassen, kommt je länger je mehr sehr flexibel rüber. Einerseits ein Anti-Fusions-Dunkelrotstäbler allererster Güte inklusive landrätlichem Sangestalent, Polizist und erst noch Präsident des unlängst fusionierten Feuerwehrverbands BEIDER Basel. Bei der Wahlveranstaltung zu letzterer Funktion wurde sein verbindendes Wesen explizit hervorgehoben….wes Brot ich ess?
BLO meint
Mal folgende These unter uns Schandmäulern. Nächstes Jahr stehen für den dürftig interessierten Wähler (schätzungsweise 97%) folgende Kandidaten zur Auswahl: Die SP-Tante, der Gewerkschafter, der Silberrücken (fällt erst mit der ersten Steuererhöhung in Ungnade), der Grüne, der sich anzieht und rumläuft wie ein Liberaler, der Proporz-Kandidat der Volchspartei und dann noch zwei Juristinnen von der FDP, beide aus einem kleinen Kaff mit entsprechender Frisur, eine im besten Alter und eine, bei der der Lack schon ziemlich ab ist. Wenn ich’s nicht besser wüsste, würde ich sagen, Frau Frey macht einen auf Pontius Pilatus und vertraut auf die Vox Populi zur Lösung ihrer Probleme.
Michael Przewrocki meint
Sie haben Angst von starken Frauen, denn die könnten die Herrliberger Ideen infrage stellen. Ein 2. Fall EWS drohte.
HopplaDerUrs meint
Der CV von Frau Mall ist für eine polltische Karriere in der Region voller wertvoller Elemente. Aber vielleicht sieht Herr Kämpfer klugerweise Frau Mall nicht in der Exekutive und hat darum bewusst einen Mantel darübergelegt, denn lösungsorientiertes Arbeiten ist mit einem charakterlichen Rammbock, der nur den Rückschwung und das Nachvornesausen kennt, eher schwierig (viel Lärm, viele Begleitschäden).
Nicht auszudenken wie viele Kopfstösse die Frau schon in den ersten zwei Amtswochen verteilen würde, in Liestal. Und auch in Basel (man stelle sich mal einen Treff zwischen Mall und Bildungskollege Eymann vor). Das würde die SVP BL nachhaltiger schädigen als sämtliche Baader’schen „Verräterin“nen-Zitate.
Frau Mall kann ja später anstelle von Herrn Miesch nach Bern fahren und sich dort in die schlagzeilenträchtige Nachfolge von Rickli und Estermann begeben. Ich bin sicher, dass ihr dort auch viel wohler ist.
Sie würde nun natürlich (mit vorwurfsvollem Ton) sagen, dass es davon nicht abhängen dürfe, wo ihr wohler sei, sondern wo die Schweiz sie am nötigsten brauche … was als Beleg für meine These dienen mag … wenn d’waisch wieni main!
cato meint
Bezüglich CV von Frau Mall haben Sie hundertprozentig recht. Für mich unbegreiflich, dass die SVP da nicht rechtzeitig aus diesen interessanten Fakten PR-mässig etwas draus gemacht hat. Was ihre bisherigen beruflichen Tätigkeiten betrifft, braucht Frau Mall den Quervergleich mit keinem andern Kandidaten und schon gar nicht mit andern Kandidatinnen zu scheuen. Es wäre spannend, wenn Sie uns auch noch die beruflichen Stationen und Leistungsausweise von Frau Gschwind präsentieren könnten.