Der wohl dümmste Satz heutzutage ist wohl der: „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass…..“
Damals, in dieser anderen Zeit, sassen wir in der Harmonie am Stammtisch beim Bier.
Zwei Wochen vor der Basler Fasnacht.
Die Frage ging um, ob die wohl die Basler Fasnacht absagen werden.
Unmöglich, sagte einer, das wäre der politische Untergang von Engelberger, (die wenigsten von uns wussten damals, wer schon nächste Woche tatsächlich das Sagen haben wird.)
„Ich kann mir einfach einfach nicht vorstellen, dass die Basler Fasnacht nicht stattfinden wird“, meinte ein anderer.
In dieser anderen Zeit zahlte man für einen Weekend-Crashkurs mehrere tausend Franken, um genau mit dem Satz „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass…. nach neuen, kreativen Lösungsansätzen zu suchen.
Aber das war damals ja nur ein Spiel.
Am Montag danach hiess es dann wieder: ab ins Hamsterrad.
Ich konnte mir im Januar echt nicht vorstellen, dass in den demokratischen Staaten Europas wie in China ganze Städte, ja ganze Länder gar, hermetisch dicht gemacht werden könnten.
Dass die Leute eingesperrt in ihrem Wohnung ausharren müssten, bis die Regierung sagt, jetzt könnt ihr wieder raus auf die Strasse und zur Arbeit.
Deshalb ist das in dieser neuen Zeit ein gewagter Satz: „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass der Bundesrat anordnet, alle über 65 müssen für die nächsten Monate zuhause bleiben, damit die Jüngeren zurück zur Arbeit können.“
Weil der Kanton Uri, dieser seltsame Berglerkanton, das schliesslich mal für ein paar Tage bereits verordnet hat.
Ich weiss inzwischen, dass es draussen vor meiner Haustür jede Menge Leute gibt, zum Beispiel die, die ich mir keinesfalls als Bundesräte wünsche, die der festen Überzeugung sind, die Alten wegzusperren, sei DIE Lösung des Problems.
(Merke: Traue heutzutage niemandem mit festen Überzeugungen.)
Ich weiss nicht, wie man das durchsetzen würde.
Brandmarken? Aufnäher? Smartphone-Überwachung? Drohnen? Trottoirsperren?
Ich hatte ein Leben lang Mühe damit, mich als Teil eines Kollektivs zu verstehen. Ich hab’s immer mal wieder mit einem Verein oder gar mit einer Partei versucht.
Habe mir durchaus Mühe gegeben, aber das wurde nie was.
Das letzte Mal, dass der Staat mich – aus meiner Sicht – recht willkürlich einer Alterskohorte zugeteilt hat, war damals, als ich mit 20 zur Aushebung fürs Militär musste.
Ich war da eben aus Indien zurückgekehrt.
Wie absurd willkürlich eine „Wer-fünfundsechzig-plus-ist“-Verordnung wäre, kann man schön am Beispiel von unserem aller Koch aufzeigen.
Der feierte diese Woche seinen 65 Geburtstag, was die Jungs und Mädels beim Blick zur wirklich originellen Schlagzeile inspirierte: „Ab heute gehört er zur Risikogruppe“.
Gestern an der Pressekonferenz noch okay, aber heute ab in die Wohnung?
Sollte das „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass…“ erneut zur neuen Realität werden, hätte der Staat wohl ein kleines Problem mit mir.
Weil ich mich an diese Anordnung nicht halten würde. Und viele andere wohl auch nicht.
Damit hätten wir nämlich der Punkt erreicht, wo ich sagen müsste: Jetzt reicht’s!
Ich würde den genetischen Vorteil nutzen, dass ich bedeutend jünger geschätzt werde, als es dieses Geburtsdatum im Personalausweis behauptet.
Ich könnte als Camouflage-Alter Teil einer neuen Résistance werden.
Kurierdienste übernehmen zum Beispiel oder in der Migros nur so aus Spass ein Joghurt einkaufen.
Kommt mir also nicht zu nah – ich trainiere seit bald zehn Jahren israelischen Nahkampf.
Mit Dreissig-, Vierzig-, Fünfzigjährigen.
Und habe keine Mühe, da mitzuhalten.
🙂
Daniel R. Prinzing meint
Die Kennzeichnung der Personen, die zur Risikogruppe gehören würden, also die ü65jährigen, kann auf zwei Arten geschehen: a) durch eine App, die aufzeigt, wo sich der „Alte“ aufhält. Ist er/sie ausserhalb der Wohnung, wird eine Polizeistreife ihn/sie wieder zurückfahren. b) oder als „Alter“ hat man ein von Weitem klar sichtbare Kennzeichnung jederzeit zu tragen, damit die anderen Menschen ausweichen können. War nicht schon mal was in dieser Richtung? Muss mal meine Schulhefte von der Mittelschule konsultieren.
Christoph Meury meint
Rückblickend war dies natürlich eine gutgetarnte Guerilla-Aktion. Der Auftritt als Camouflage-Alter war formidabel. Wer hätte gedacht, dass MM als Sprachrohr der Ü65 derart authentisch rüberkommt, dass die halbe Schweiz sich bei ihm niederkniend bedankt. Der Klassenkampf gegen Stefan Schmid und seine provokante These «Senioren sollen wegen Corona-Lockdown ein Solidaritätsprozent beisteuern» war nicht nur rhetorisch brillant, sondern eine PR-Aktion in eigener Sache vom Feinsten, die unmittelbar ein gerütteltes Mass an LeserInnen wachgeküsst hat. Vorbehaltlos wurde MM bis nach St. Gallen ins Herz geschlossen. Endlich ein zeitgenössischer Winkelried. Ein Kämpfer wider die jugendlichen Möchtegern-JournalistInnen und Alten-Basher.
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Den Satz im aktuellen Beitrag verstehe ich in diesem Zusammenhang allerdings eher weniger: «Ich hatte ein Leben lang Mühe damit, mich als Teil eines Kollektivs zu verstehen. Ich hab’s immer mal wieder mit einem Verein oder gar mit einer Partei versucht.« Ja, was jetzt? Leader und Meinungsmacher der Ü65? Oder doch eher israelischer Nahkämpfer im Dienste der neuen Résistance und daselbst von einem Indientrip und Ravi Shankar und Gratisdrämli träumend?
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Die Tatsache, dass man unwillentlich einer Risikogruppe angehört, heisst ja noch lange nicht, dass man auch ausserordentliche Sympathien (eine Art «Stockholm Syndrom«) für diese Zwangsgruppe und ihre permanenten zur Show getragenen Existenzängste und notorischen Leistungsprotzereien entwickeln muss.
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Ich gehe mal davon aus, dass allen Beteiligten klar ist, dass der Virusschaden immens ist und, dass die Gelddruckerei demnächst ein Ende haben wird und gelegentlich die ersten Rechnungen verschickt werden. Kurzum: Es wäre nicht verkehrt darüber nachzudenken, wie die Schulden beglichen werden und wer dabei zur Kasse gebeten wird. Aber das ist jetzt wieder eine andere Geschichte…
M.M. meint
Ich habe einen Nerv getroffen, keine Frage. Aber daraus abzuleiten, ich sei der Herr der Herde, wäre grundfalsch.
Wer das am Ende bezahlen wird? Wir alle über die Inflation (der eigentliche Feind der Rentner).
War schon immer so nach dem Ende eines Kriegs.
Die Rentenbezüger, um mal die anderen zu bedienen, werden bluten. Beim BVG gibt’s keinen Teuerungsausgleich.
Chienbäsebärti meint
Das ist wohl zu verkraften. Bis 2030 wird es wohl keine Teuerung mehr geben….