Kürzlich in der S-Bahn von Dornach-Arlesheim nach Basel.
Ein Mitfahrer outet sich als Leser dieser Kolumne und verwickelt mich in eine lebhafte Diskussion, kommt auf diese und jene steile These von arlesheimreloaded zu sprechen. Der Mann, so fällt mir auf, hält einen schlaff runterhängenden Plastiksack eines Grossverteilers in der Hand.
Was auf der Höhe der Haltestelle Dreispitz zu meiner Frage führt, wo er denn hinfahre. «Ich bin auf dem Weg nach Weil, um Zigaretten zu kaufen.» «Was?», frage ich erstaunt. «Zigaretten kauft man jetzt auch in Weil?» «Klar», antwortet er. Er sei ein frühpensionierter IV-Rentner und da müsse er halt auf jeden Rappen schauen. «In Deutschland ist die Stange Zigaretten 25 Franken billiger als bei uns.»
Na, wenn das mal nicht verrückt ist, denke ich. Wobei ich mich keineswegs daran störe, wo der Mann seine Zigaretten kauft. Jenseits der Grenze einkaufen kann von mir aus, wer will. Schliesslich kann man ja niemandem einen Strick daraus drehen, wenn er sich marktwirtschaftlich verhält.
Was mich auf dem Weg zum Perron 11 – ich musste nach Zürich – beschäftigt: Diese Bahn- und Tramfahrt mit dem U-Abo von Dornach nach Weil ist also derart billig, dass es sich lohnt, mal schnell zum Zigarettenkaufen nach Weil zu fahren, statt zu Fuss zum Grossverteiler gleich um die Ecke beim Bahnhof Dornach zu gehen? Selbstverständlich kann man das jetzt als extremes Beispiel abtun, was mir jedoch ziemlich egal ist. Ich muss mir ja auch die Familie mit den vielen Kindern um die Ohren hauen lassen, die ein verteuertes U-Abo in den finanziellen Ruin treibt.
Doch mein aus dem realen Bahnfahrtleben von Dornach-Arlesheim nach Basel aufgeschnappte Beispiel zeigt nun mal sehr deutlich die Absurdität des Subventionierungssystems für den öffentlichen Verkehr auf: Der Eigenfinanzierungsgrad der Bahn beträgt gerade mal 41 Prozent. Den Rest bezahlt der Steuerzahler. Und weil der Mann aus Arlesheim mit dem U-Abo unterwegs ist, bekommt er jeden Monat beim Bezug seines Abos nochmals 25 Steuerfranken draufgelegt. Macht, über den Daumen gepeilt, fünf Stangen deutsche Gratis-Zigaretten im Jahr.
Nun bin ich kein Gesundheitsfanatiker und will ich dem Mann sein Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung nicht absprechen und aus diesem Grund der Streichung der U-Abo-Subvention das Wort reden. Auch wenn es nicht populär ist, weil ja heutzutage jeder und jede ernsthaft der Meinung ist, staatlich subventionierte Mobilität sei ein Menschenrecht, kann man doch die Frage stellen, ob diese vor zwanzig Jahren eingeführte Subvention noch zeitgemäss ist. Der Sinn der Subvention ist erreicht, die Leute sind aufs ÖV umgestiegen. Ergo kann man darüber reden, ob es diese 22-Millionen-Franken-Subvention (BL) auch weiterhin noch braucht.
Doch diese punktuelle Änderung reicht nicht aus. Vielmehr müssen wir wegkommen von der Flatrate beim ÖV, hin zu einer Auslastungstarifierung. Was bedeutet: Dann, wenn alle fahren, kostet die Fahrt mehr. Die BVB beispielsweise müssten nicht einfach nur mehr Trams nach Weil einsetzen, sondern die Tarife der überbordenden Nachfrage anpassen. Kurzum, in Stosszeiten am Samstag kostet die Fahrt erheblich mehr. Technisch ist das überhaupt kein Problem. Die Abos werden abgeschafft und durch eine elektronisch lesbare Prepaid-Karte ersetzt. Beim Ein- und Aussteigen wird die zurückgelegte Strecke abgebucht.
Herrmann Elig meint
Ja, der Staat (also Sie und ich) subventionieren den ÖV. Skandal. Ebenso subventionieren Sie und ich den Motorisierten Individualverkehr. Auch ein Skandal. Darf ich entsprechend davon ausgehen, dass Sie der Erhöhung der Autobahnvignette zugestimmt haben?
Ich finde, man darf durchaus die Subventionierung von Mobilität (samt externer Kosten wie etwa Lärmschutz, Feinstaub oder CO2) überdenken. Sollte man sogar. Sie hatten ja an anderer Stelle schon angemerkt, wie absurd günstig es ist, mal eben nach London zu fliegen.
Was in meinen Augen nicht legitim ist, ist sich nur eine Mobilitätsart rauszupicken und dann darauf einzuschiessen. Gilt für die ganzen Anti-Flugzeug-Anti-Auto-Fundis ebenso wie für die ganzen Anti-ÖV-Anti-Velo-Fundis.
Städter meint
Den Text meiner Zuschrift wurde etwas verstückelt hier:
In London gibt es die Oyster-card, Die hat jedeR dort. Ausgestattet ist das System mit einem Tageslimit, also wie häufig Man auch immer die underground benutzt pro Tag, es wird nur bis zu einem bestimmten Betrag belastet. Das gesamte Gebiet von London kann man durchaus mit den Tarifverbund Nordwestschweiz vergleichen wenngleich die Infrastrukturkosten und die Dichte der Geleise in London höher sind. In London kostet aber das Ganze rund 200 Fr. pro Monat, und dies bei deutlich tieferen durchschnittlichen Einkommen der Leute. Wir müssen aber letztlich die Spitzenbelastungen brechen, dann reicht die derzeitige Infrastruktur ev. plötzlich wieder. Bei Flatrate Tarifen wächst die Mobilität stetig, auch bei unveränderter Bevölkerungsdichte.
angrymonk meint
Stichwort „Spitzenbelastungen brechen“: Gestern Abend um 17.15 Uhr im E11er von Basel nach Reinach: Rund die Hälfte der Sitzplätze dieses Pendlertrams waren durch Senioren und Seniorinnen besetzt, die Pendler durften sich gegenseitig auf die Füsse stehen.
Alex Schneider meint
Zeittarife sind momentan noch schwierig umzusetzen, aber die Zonentarifierung bei den Abos könnten die beiden Basel endlich einführen. Es ist einmalig in der Schweiz, dass für ÖV- Abos die Distanz bei der Preisfestlegung keine Rolle spielt. Da wird doch gewaltig aufs Land hinaus subventioniert!
Grummel meint
Zwei Rentner fahren mit der S-Bahn von Dornach nach Basel.
Einer will weiter nach Zürich, der andere an den Flughafen, um mit «EasyJet» in Barcelona für seine Frau etwas schönes zu kaufen.
Sie kommen ins Gespräch und stellen fest: Die Transportkosten sind heutzutage viel zu billig.
Wie recht die haben.
M.M. meint
Im Unterschied zum U-Abo wird das easyJet-Ticket nicht mit Steuergeldern subventioniert.
Grummel meint
Dafür aber mit Tiefstöhnen und ohne Kerosinsteuer. Das nennt sich dann wohl: Die «Oyster-Card» für Investoren.
Umlautetest meint
Töst
Gaby und Peter meint
Herzlichen Dank , ihr Lieben, f
Franz meint
Basler haben schon immer gerne subventioniert.
Weil Steuern zahlen tun nicht wirklich viele.
Und sonst halt eine heilige Kuh.
Wie das Theater auch.
Aber dort m
St meint
In London gibt es die Oyster-card, Die hat jedeR dort. Ausgestattet ist das System mit einem Tageslimit, also wie h
M.M. meint
Die hatte ich im Kopf. Ist sehr praktisch. Brauchen wir immer, wenn wir in London sind.