Es sind noch immer überraschend viele im Kanton Basel-Landschaft, die nicht wahrhaben wollen, dass der Kanton pleite ist. Dabei ist die Sache mühelos zu verstehen: Pleite ist, wer ein strukturelles Defizit nicht aus der Welt schaffen kann.
Die finanzielle Misere hat im Landkanton zur Folge, dass Politik auf Jahre hinaus keinen Spass mehr macht. Die «Titanic»-artige Finanzlage lässt sämtliche politischen Gestaltungsfelder wegbrechen. Folglich legt die Regierung Notprogramme auf, indem sie Wahlgeschenke Vorhaben wie beispielsweise den Strassenbau oder energetische Wirtschaftsförderungsmassnahmen nicht mehr aus dem allgemeinen Steuertopf, sondern mit neu erhobenen Gebühren finanzieren will.
Muss man sich also wundern, weshalb der grosse Teil des Baselbieter Politestablishments ob der Fusionsprüfungs-Initiative in helle Panik ausbricht? Oder vor sich hin schweigt? Nein.
Zumal wenn man weiss, dass es dem Landkanton an fähigem Politpersonal mangelt, um allein schon die drängenden Reformen in den Gemeinden und beim Kanton anzugehen.
Schonungslos offengelegt wurde das personelle Elend während der Suche nach einem vierten bürgerlichen Kandidaten für den Regierungsrat. Die SVP, die wählerstärkste Partei und zugleich diejenige mit den grössten Trommeln, fand in ihren Reihen keinen Einzigen, der zum Regierungsamt getaugt hätte.
Bringen wir es auf den Punkt: Das aus Mangel an Sprit nur noch in engem Radius kreisende politische Führungspersonal des Kantons Basel-Landschaft leidet ob der aussichtslosen Lage unter einem kollektiven Burn-out.
Weshalb dieser Satz, unter all dem wirren Zeugs, das rund um die Fusionsprüfungs-Initiative dahergequatscht wird, der entscheidende ist: «Wo sollen wir nur 75 kompetente Leute herkriegen, um neben all dem anderen auch noch in einem Verfassungsrat jahrelange Knochenarbeit zu leisten?»
Wer kaum mehr kann, der kann nicht noch mehr.
Die Fusions-Initiative wird nicht wegen der viel beschworenen Unabhängigkeit abgelehnt, mit der die Nein-Kampagne befeuert wird. Vielmehr fehlt der Politelite – und zwar links ebenso wie rechts – die Kraft, dieses Projekt zu stemmen. Dabei wäre doch diese Verfassungsberatung, gemessen am riesigen Berg all der unerledigten Probleme, welchen die Baselbieter Politiker noch auf Jahre hinaus vor sich herschieben muss, ein Fliegenschiss.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 29. August 2014
Beat Hermann meint
Das Spitzenpersonal und dessen Aufseher sind doch selbst mehrheitlich Aufseher in eigener Sache und aus der gleichen Schule. Geht nicht … Stillstand und Burn-out.
Michael Przewrocki meint
Genau daran dachte ich auch. Ganz schlimm ist dass Millionäre sich immer noch nicht zu elektrich fahren aufraffen konnten. Umso mehr freut es einen wenn man ab und zu oder immer wieder einen wohlhabenden Basler im E-Mobil vorbeifahren sieht.
Ramsy meint
Die Welt ist und war schon immer komplex. In der CH-Politik, glaube ich, ist der Umgangston wohl aufgrund der heutigen Kommunikationsmittel sehr viel rauher geworden. Wen wundert es dann, dass sich nicht mehr so viele Leute die Bürde eines öffentlichen Amtes auferlegen wollen? Zudem wird an den Gehältern, Bezügen rumgemeckert, die bei ähnlich wichtigen Jobs in der Privatwirtschaft ja lächerlich erscheinen!
Ich bin überzeugt, es gibt im Baselbiet genau so viele fähige Leute in der Politik wie anderswo. Und Nostalgie bezüglich ehemaliger Regierungsräte, die früher alle besser gewesen seien, zweifle ich an. Heute kann man nicht mehr so führen wiet wie anno dannzumal! Respekt vor dem Amt ? Gibt’s das heute noch?
Nun noch die Fusionsinitiative. Wer will da führen, wenn dann sowieso alles anders wird in ein paar Jahren?
Also sehe ich nur eine Lösung M.M. for President! Dann wird alles besser und die Regierung bekommt Tesla’s als Staatslimousinen! .
M.M. meint
Bin tatsächlich der Meinung, dass die Baselbieter Regierung statt einer grundsätzlich technisch veralteten Mercedes-Limousine einen Tesla anschaffen MUSS.
Blacky meint
„Spitzenpersonal“? Wer ist da „spitze“, wo ist die Spitze? In Kolumnen lese ich gerne über Ross und Reiter.
M.M. meint
Ich habe in der BaZ nur 2’800 Zeichen inkl. Leerschläge. Kann da also keine 100 Anschläge für irgendwelche Namen verdubeln. Zumal die politisch interessierte Leserschaft die Namen beim Lesen selbst ergänzen kann. „Spitzenpersonal“ wurde bewusst dem Begriff „Führungsleute“ vorgezogen.
Meury Christoph meint
Die Welt ist ein komplexes und sehr kleinteiliges Puzzle mehr oder weniger gegenseitiger internationaler, nationale, regionaler Abhängigkeiten. Dies zeigte sich spätestens bei der Ölkrise 1974 und hat sich seither mehrfach wiederholt (Bankenkrise (2008), US-Immobilienkrise, usw.). Wir sind voneinander wechselseitig abhängig. Dies nicht nur in den kommerziellen Bereichen, sondern auch in politischen, sozialen und kulturellen Belangen. Das ist ein eigentlicher Paradigmawechsel, welcher in den letzten Jahren in den Beziehungen zwischen den Staat und den Gesellschaften stattgefunden hat. Dem Konzept der gegenseitigen Abhängigkeiten und wechselseitigen Beziehungen liegt die Einsicht zugrunde, dass die über die Erde verteilten Ressourcen langfristig auch einen politischen Preis haben, der daher rührt, dass sich die Anzahl der weltweiten Akteure vermehrt hat und dass sich diese Akteure stärker und effizienter emanzipieren. Dieser Preis trifft nicht nur die Käufer und Verkäufer, sondern in seinen sichtbaren sozialen und kulturellen Folgen die gesamt menschliche Gesellschaft. Die Welt verändert sich. Sie wird globaler und komplexer.
«Als Freiheitsstreben verstanden verkörpert die Unabhängigkeit einen Wert, während Abhängigkeit ein alltägliches Faktum ist, sowohl im Innern des Staates, wie auch zwischen ihnen. Wenn allerdings dieser Wert infolge eines Übermasses an Emotionen das Faktische verdrängt, wird jedes Handeln unmöglich und die Politik von Ressentiments und Verwirrung durchsetzt, dann ist es Zeit, Form und Inhalt der Unabhängigkeit zu überprüfen, um sie auf die heutige Welt auszurichten und ihr wieder einen Sinn zu geben». (Joëlle Kuntz, «Die Schweiz – oder die Kunst der Abhängigkeit»)
Die Beziehungen der beiden Kantone Basel-Stadt und Baselland werden in über 110 Verträgen geregelt. Ob die Fusion kommt oder nicht, die Dichte dieser Regelungen und Verträge wird in jedem Fall zunehmen. Unser Beziehungsnetz ist komplex und muss geregelt werden. Diese Entwicklung wird nicht einfacher werden. Auch wenn wir wiederholt die Autonomie ausrufen.
Überforderung des politischen Personals & Investitionen in die Zukunft: Jede Firma hat eine Abteilung, welche sich um die Zukunft und Zukunftsforschung kümmert. Keinem Aktionär käme es in den Sinn diese Abteilung schliessen zu wollen, oder der Zukftsforschung die finanziellen Mittel und personellen Ressourcen zu streichen. Das wäre für die Firma ein Harakiri und damit das unmittelbare Ende.
Thomas Lüthi meint
Es gibt Werte, die gibt man nicht einfach auf. Es sind Werte wie Selbständigkeit; Eigenverantwortung; die Freiheit, über sein Staatswesen selber befinden zu können. Der Kanton Basellandschaft ist Teil einer erfolgreichen Region. Der zweitstärksten Wirtschaftsregion der Schweiz. Dieser Erfolg ist der Partnerschaft zwischen Baselland und Basel-Stadt geschuldet. Ein Kanton Baselland, der den Ausgleich findet zwischen den Gemeinden und nicht von einer politisch dominanten Stadt majorisiert wird. Das ist das Erfolgsrezept für die Zukunft. Politische Selbstbestimmung war noch nie ein Hindernis für wirtschaftlichen Erfolg. Sie ist das Rezept dazu. Wenn dem nicht so wäre, wäre die föderalistische Willensnation Schweiz nie zu ihrem Wohlstand gelangt.