Ich wundere mich über die Naivität der Journis, die sich über den sogenannten „Crypto-Skandal“ echauffieren.
Gut, sie und die Politik bewirtschaften jetzt das Thema, was man ja machen kann.
Als grösste Geheimdienstorganisation der Welt eine Firma zu besitzen, welche Verschlüsselungssysteme an Regierungen verkauft, die man damit abhören kann, ist eine Geschichte, wie aus einem Spionagethriller von John le Carré.
Ziemlich genial also.
Dass die Dienste womöglich noch beim Verkauf der Systeme behilflich waren, denkbar. Dass die Amerikaner dieses Systeme in Wirtschaftshilfepaketen auch noch selbst bezahlt haben, warum nicht.
Okay, ich habe vielleicht zuviele Spionagethriller gelesen.
Auf alle Fälle, hätte Le Carré die Firma selbstverständlich auch in der neutralen Schweiz angesiedelt – damals der Dreh- und Angelpunkt von sehr viel internationalem Schwarzgeld, Stichwort Bankgeheimnis und Zähne ausbeissen – kontrolliert von einer Liechtensteiner Stiftung.
Ich meine, mehr Cliché geht nun wirklich nicht.
Selbstverständlich hat zu der Zeit die Schweizer Regierung nichts gewusst, ich meine nichts Genaues. Weil es nicht gut ist, wenn man als Politiker von solchen Dingen zuviel weiss.
Schliesslich reicht es, wenn in Geheimdienstberichten „befreundete Dienste“ als Quelle angegeben wird.
Seit dem 2. Weltkrieg gelten der CIA, der BND und andere westliche Geheimdienste als befreundete Dienste.
Dass der Schweizer Geheimdienst was gewusst hat – aber sicher. Wobei auch die an Details wahrscheinlich nicht interessiert waren. Aber an nützlichen Ergebnissen der Lauscherei ganz gewiss. Nein, und da fragt man auch nicht: Woher habt ihr das?
Dass die Untersuchung in den 90ern im Sand verlaufen ist – na klar doch. Weil die Schweiz ein kleines und damit erpressbares Land ist – Stichwort in den 90ern: Das Bankgeheimnis.
Und die Erkenntnisse der Abhöraktionen einfach zu gut waren, als dass da jemand ein Interesse daran gehabt hätte, die Sache zu stoppen.
(Im ZDF sagte ein ehemaliger Geheimdienstkoordinator im deutschen Bundeskanzleramt, die Sache sei ein Erfolg gewesen: „Die Aktion Rubikon hat sicher dazu beigetragen, dass die Welt ein Stück sicherer geblieben ist“ (Quelle FAZ, Bezahlschranke). So what?)
Die eigentliche Frage ist deshalb die: Weshalb wurden die Dokumente ausgerechnet jetzt Newsorganisationen zugespielt?
Ich schätze mal, da will jemand einen dicken Schlussstrich unter all die Gerüchte ziehen, die offenbar seit Jahren kursierten und für die sich niemand wirklich interessiert hat.
Zum einen gibt’s die Firma nicht mehr und zum anderen ist die Schweiz zu klein, die Welle, die die Geschichte schlägt, entsprechend harmlos.
Die Welt hat sich weitergedreht, die Five-Eyes sind schon viel weiter.
Heutzutage ist es selbstverständlich, dass Unterseekabel und Satellitenverbindungen angezapft werden und – klar doch – Verschlüsselungssysteme der neuesten Generation.
Dazu das: Rechtsbruch programmiert bei Geheimdiensten der Five-Eyes-Staaten.
Völlig klar, dass unter den 23 europäischen Staaten (Zahl im verlinkten Artikel genannt), welche von den Abhöraktionen der Five-Eyes profitieren, auch die Schweiz gehört.
Weshalb niemand in der Spitzenpolitik grosses Interesse daran haben wird, dass im sogenannten Crypto-Skandal allzu viel Neues hochgespült wird.
PS: Es kommt ja nicht von ungefähr, dass die Amerikaner vor der 5G-Technologie des chinesischen Anbieter Huawei warnen.