Charlie als ich den Auslöser drücke: „Ich bin doch gar nicht rasiert.“
Unsere Rundreise endet in einem Hotel beim Flughafen von Delhi. 42 Tage sind wir mit Charlie und seinem Tata unterwegs gewesen. Zweimal haben wir den Reiseplan geändert – zunächst die ursprünglich geplante Reisezeit verdoppelt und unterwegs noch Risikesh statt einer anderen Destination eingebaut.
Wenn man tagtäglich mehrere Stunden miteinander unterwegs ist, dann muss zum einen die Chemie stimmen. Und zum anderen müssen die Rollen klar sein: wir sind die Kunden und der Fahrer ist der Dienstleister. So war das auch, weil Charlie ein Profi ist, der sich auf seine Fahrgäste einstellen kann. Wenn wir jeweils nachmittags an der neuen Destination angekommen sind, dann hat er sich zurückgezogen, wir waren für uns. Auch bei allen Besichtigungen blieb er beim Wagen und wartete auf uns. Wenn wir irgendwo länger blieben, hatte er zwischendurch auch mal einen freien Tag.
Die Fahrt war ein guter Mix zwischen gemeinsamen unterwegs sein und privatem Bereich. Beidseitigem.
Charlie ist 52 und fährt seit über dreissig Jahren ausländische Gäste durchs Land. Er fährt nicht nur mit der in Indien nötigen Vorsicht, der Mann nervt sich nie. Auch wenn es wegen der vielen Schlaglöcher oftmals nur im Schritttempo weitergegangen ist. Und das nicht nur für zehn oder zwanzig Minuten, oftmals für ein, zwei Stunden.
Charlies Kommentar, den wir als neues Motto mit nach Hause nehmen und der für alle kommenden Lebenslagen passt: „No problem, sometimes good, sometimes bad.“
Er ist jedoch nicht nur der Mann am Steuerrad. Er hat uns jeden Tag zu einem sehr guten Hotel gefahren, mal, wie heute beim Flughafen für 1000 Rupees (rund 18 Franken mit gratis Wifi) , mal für 4000 Rupees. Dazu hat er alle sehenswerten Paläste und Tempel auf unserer Strecke angesteuert – eigentlich liessen wir uns jeden Tag von Neuem überraschen, um die Detailplanung haben wir uns nicht gekümmert.
Um den Werbespot abzurunden: hinter Charlie steht Ashoks Taxi Tours. Verschiedene Fahrer sind für den Firmenbesitzer Ashok unterwegs und auch er selbst fährt Touristen durch Nordindien. Auf Einladung von ein paar ehemaligen Reisenden war Ashok und seine Frau erst kürzlich für einen Monat in Deutschland. Nebst dem Dankeschön wollten ihm die vorwiegend jungen Leute zeigen, wie die Realität seiner Gäste aus Europa aussieht.
Das hier ist zugleich eine Empfehlung. Die Preise einer solchen Reise findet man auch auf der Website. Und das ist für indisches Geschäftsgebaren ziemlich ungewöhnlich. Wir haben unterwegs mit verschiedenen Europäern ausgetauscht und die eigenartigsten Geschichten gehört. Hüten sollte man sich beispielsweise unbedingt davor, in Delhi eine solche Fahrt zu buchen. Man wird mit Garantie übers Ohr gehauen und hat meistens junge, unerfahrene Fahrer, die schon nach wenigen Tagen meinen, man wäre jetzt dicke Freunde und gemeinsam auf einer Ferientour. Oder sie schleppen einen von Laden zu Laden, weil sie eine Verkaufsbeteiligung bekommen.
Damit wären wir bei den Hotels. Weil wir keine Ahnung zur Preissituation hatten, haben wir mal als Obergrenze 50 € / 3’500 Rupees angegeben. Im Schnitt lagen wir jetzt unter 2’500 Rupees. Bucht man die Fahrt bei einem dieser obskuren Reisebüros in Delhi, bezahlt man für die selben Hotels das Doppelte.
Bei Ashok läuft das so, dass keine Hotels vorher gebucht werden. Charlie hat uns jeweils zu einem Hotel gefahren – er hat die Tour schon derart oft gemacht, dass er alle Hotels auf der Strecke kennt, falls mal nicht, wie in Rishikesh erkundigt er sich bei einem Kollegen. Wir haben dann jeweils zunächst ein oder zwei Zimmer besichtigt und den Preis ausgehandelt. Nicht unwichtig: Die Hoteliers kennen auch Charlie; er geniesst einen ausgezeichneten Ruf.
Wir haben in neunzig Prozent der Fälle die Zimmerpreise 500 bis 1000 Rupees runtergehandelt. Ein einziges Mal passte uns das Hotel nicht, worauf wir weitergefahren sind. Bei besonderen Hotels, weil wir Zeit hatten, haben wir zwei, drei aussergewöhnliche Destinationen angesteuert, hat Charlie angerufen und ein Zimmer reserviert. Und den Preis zu unseren Gunsten runtergehandelt.
In einem an sich ausgebuchten Hotelpalast nahm der Hotelmanager Monica zur Seite und sagte ihr, wir sollten mit den Leuten an unserem Tisch ja nicht über den Zimmerpreis reden, den wir bezahlt haben. Wir hätten einen Charlie-Spezialpreis. Und in der Tat lag der 3000 Rupees unter dem Reiseagenturpreis. Ich meine, das ist fair.
Kurz zusammengefasst: Tagtäglich versucht jemand in Indien, einen übers Ohr zu hauen. Man bezahlt Lehrgeld, weil es immer wieder neue Varianten gibt, auf die man reinfallen kann. Deshalb ist man sehr, sehr froh, wenn man mit einem Fahrer unterwegs ist, dem man wirklich vertrauen kann. Und wir hatten jede Menge Spass miteinander, haben viel gescherzt und viel gelacht.
Charlie kann man direkt über Ashok buchen.
PS: Eigentlich hatten wir vor, mit der Bahn und mit dem Bus herumzureisen. Zufällig bin ich eine Woche vor Abreise auf Ashoks Website gestossen, habe die Preise gesehen, eine E-Mail geschickt, am anderen Tag eine Offerte erhalten und am gleichen Tag gebucht. Im Nachhinein muss ich sagen: Indien ist auch mit Auto und Chauffeur anstrengend, aber im Zug und Bus und dann jedesmal ein Hotel suchen, sich mit Tuktukfahrern um den Preis streiten – irgendwie brauche ich das nicht mehr. Es wäre auch kaum möglich, all das zu sehen, was wir gesehen haben. Abgesehen davon vermute ich mal, dass wir in Delhi garantiert der Reisebüromafia aufgesessen wären.
Letzter Chai-Stop heute morgen; plus indisches Frühstück: Tschapatiomelette mit Blumenkohl.
Nochmals PS: Morgen fliegen wir nach Goa, raus aus dem Smog und weg von den jetzt auch hier kalten Nächten mit ungeheizten Hotelzimmern.
Martin meint
Merci fürs Teilhaben und die vielen Tipps … und ich vermute, Charlie wird bald expandieren können! 🙂