Die Wirtschaftskammer sei keine Boa Constrictor mehr, sondern nur noch eine Blindschleiche, wird in Politkreisen gescherzt. Wer den Schaden hat, muss den Spott nicht fürchten.
In der Tat haben in den letzten Monaten der mächtige Wirtschaftsverband und sein Direktor für alle sichtbar an Macht und Einfluss verloren.
Wie geschwächt sich derzeit die Wirtschaftskammer präsentiert, kann man an jenen ablesen, die sich nun in den Vordergrund drängen. Zum Beispiel Liestals Stadtpresi Ott, der zusammen mit Herrn Endress die ziemlich unsinnige Diskussion um einen Unistandort in der Bürokratenhauptstadt Liestal losgetreten hat.
Oder Dr. Franz A. Saladin, Direktor der Handelskammer. Er, der nach seiner Niederlage im Nationalratswahlkampf 2011 «in der Bedeutungslosigkeit verschwunden» ist (BaZ im Februar vor einem Jahr), meldet sich zurück, indem er die Handelskammer in die Niederungen des Baselbieter Abstimmungskampfes um den Lehrplan 21 führt.
Er selbst findet Gefallen daran, seine Parteikollegin Gschwind öffentlich zu kritisieren: Sie verbreite Unsicherheit von oben herab, fälle keine klaren Entscheide. Und überhaupt. Saladins Problem: Man nimmt ihn von links bis rechts nicht wirklich ernst.
Und die Wirtschaftskammer? Die beschliesst zu den aktuellen kantonalen Abstimmungen gar nichts und Herr Buser schweigt.
Nun ist es ja durchaus verständlich, dass man sich nach einer Wahlklatsche im Doppelpack in den Schmollwinkel zurückzieht. Zumal wenn einen der politische Instinkt verlassen hat und man seinem Spiegelbild folgte, das einem schon frühmorgens zuflüsterte: «Du bist der Grösste.» Allein, die Wähler sahen das anders.
Ach hätte er doch beim Ständerat Herrn Stückelberger aus Arlesheim den Vortritt gelassen. Der wäre auch nicht gewählt worden. Aber Stücki hätte der FDP-Nationalratsliste viele zusätzliche Stimmen gebracht. Herr Buser sässe in Bern.
Und dann sind da noch Gysins Altlasten.
Zum Beispiel die Sache mit der Zentralen Arbeitsmarktkontrolle (ZAK), wo der Vorgänger das Steuerrad erst losliess, als dem das Wasser am Hals stand und er voller Panik merkte, dass er gar nicht schwimmen kann. Hätte Herr Buser die Sache mit der verkachelten Wahl noch wegstecken können, so gehen die juristischen Auseinandersetzungen in Sachen ZAK an die Substanz. Der Wirtschaftskammer. Weil es um deren Zukunft geht und um einen neuen Jackpot.
Im Herbst kommt das Energiegesetz vor den Landrat, das Baselland erlauben wird, eine eigene, kantonale Energiesteuer zu erheben. Diese Einnahmen kommen in einen Verteiltopf für Energiesparmassnahmen. Die Wirtschaftskammer möchte, dass der lukrative Job, die 15 Millionen Franken pro Jahr an Gewerbler und Hausbesitzer zu verteilen, an sie ausgelagert wird. So wie es der Kanton bei der Zentralen Arbeitsmarktkontrolle getan hat. Mal abgesehen davon, ob eine kantonale Energiesteuer überhaupt zulässig ist – sollte die Wirtschaftskammer aussen vor bleiben, dann droht ihr der Abstieg in die zweite Regionalliga.
Man ist fast versucht, Herrn Buser genau das zu wünschen. Der kann mehr. Wenn der 45-jährige, unbestritten brillante Kopf, seinen Schwächeanfall überwunden hat, ist es an der Zeit, Neues anzupacken.
Einen auf Durchschnitt geschrumpften Verband zu führen, das kann auch der Berger.
Er hingegen hätte das Zeugs für einen Regierungsrat, der den angeschlagenen Kanton entscheidend vorwärtsbringen könnte.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 4. Mai 2016
Heiner Schäublin meint
Das «Peter-Prinzip» hat bei ihm bereits gegriffen Wir sollten ihn (und den Kanton) nicht noch weiter überfordern.
Bringold Margareta meint
Jedes Volk hat die Regierung die es verdient, sagt man. Aber so schlimm ist das Baselbieter Volk nun doch nicht, dass es so einen Regierungsrat verdient hätte, würde ich meinen.
Theo meint
„Unbestritten brilliant“ soll also der Herr Buser sein. Da würde es mich schon noch wunder nehmen, wann er das gezeigt hat. Bis jetzt hat er sich vor allem verbandsintern als Apparatschick schon fast sowjetischen Ausmasses und im Wahlkampf als konsequenter Staatsbeschimpfer hervorgetan: legendär seine Abwatschung der anwesenden Regierungsräte und Amtsvertreter an der Lehrabschlussrangfeier 2015.
Vorgänger Gysin polterte jeweils auch für die Kulisse. Aber er wusste auch, dass man die Hand nicht zu fest beisst, die einen füttert; es fliessen ja unter verschiedenen Titeln Staatsgelder an den Altmarkt, bei denen man als Steuerzahler denkt, die damit bezahlten dort seien auch halbe Beamte.
Bis Buser Gysins Fussstapfen ausfüllen kann (falls überhaupt), könnte es also noch etwas dauern. Und Regierungsrat? oh jeminee