Heute ist es also soweit: Die Briten verabschieden sich von der Europäischen Union.
Stellt sich also nochmals die Frage: Was kann die Schweiz vom Brexit lernen?
Nun, zum Ersten und Wichtigsten: Die feuchten Träume der Brexit-Applaudierer hierzulande sind zerplatzt – die Verhandlungsposition der Schweiz gegenüber der EU hat sich dank den vermeintlich kampfeswilligen Briten nicht verbessert.
Die vielleicht für einige bittere Erkenntnis: Die Briten sind nicht unsere Verbündeten im Kampf gegen Windmühlen Brüssel.
Ergo im Gegenteil, unsere Verhandlungsposition hat sich dramatisch verschlechtert, weil die EU gewillt ist, ihre vier Eckpfeiler freier Personenverkehr, freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr und freier Kapitalverkehr kompromisslos zu verteidigen.
Auch gegenüber einer Wirtschaftsmacht, die um einiges schwergewichtiger ist als die Schweiz.
Weil Brüssel weiss, wenn die EU bei diesen vier Eckpfeilern ihres Daseinszwecks Konzessionen macht, das einer Kernschmelze gleichkommt.
Das hat die konservative Britische Regierung richtig erkannt, weshalb sie sich schon gar nicht mehr der Illusion hingibt, „You can have your cake and eat it“ oder auf gut Schweizerdeutsch: du kannst nicht „s’Fünferli und s’Weggli ha“.
Weshalb sie jetzt selbstbewusst die neue Position vertritt: Versuchen wir schon gar nicht, den Regeln zu folgen, suchen wir unseren eigenen Weg.
Mit anderen Worten: Deren Experiment läuft unter dem Arbeitstitel „clean break“.
Welche Folgen diese Haltung haben wird, weiss heute niemand.
Möglich, dass das Vereinigte Königreich in ein paar Jahren als der von allen beneidete Sieger auf dem Platz steht.
Oder auch nicht.
Was uns völlig egal sein kann.
Für uns gilt, einzusehen: Brexit done – jetzt ist die Schweiz auf sich allein gestellt.
Statt weiter zu träumen, muss die Schweiz sich in den nächsten Wochen ein paar wichtige Fragen stellen, weil im Mai erneut über den freien Personenverkehr abgestimmt wird:
- Wie kann man als Land mitten in der EU und in einer globalisierten Wirtschaft wohlhabend UND souverän bleiben?
- Wie kann man die korrigierende Kraft unserer direkten Demokratie in Verträgen mit supranationalen Institutionen aufrechterhalten?
- Wie können die Bürger die Kontrolle über ihr Leben und ihren Lebensunterhalt in einer Welt behalten, in der immer mehr Lebensbereiche ausserhalb der nationalen politischen Kontrolle bestimmt und geregelt werden?
Im Alleingang à la Grossbritannien (clean break)? Mit einem Rahmenabkommen? Mit einem Beitritt?
Andere Optionen hat die Schweiz – anderes als nach der EWR-Abstimmung 1992 – nicht mehr.
Etwas verbindet uns doch mit den Briten: Die nächsten Monate sind nicht nur für sie entscheidend für das weitere Verhältnis mit der EU, sondern auch für die Schweiz.