Seit zweieinhalb Jahren verfolge ich täglich (manchmal stündlich) interessiert die Brexit-Diskussion.
Sie war und ist eine der spannendsten politischen Vorgänge der letzten Jahrzehnte. Reich an Dramatik, mit zum Teil kurliger Besetzung.
Und weil britisch über weite Strecken auch sprachlich ein Genuss. Humoreske Einlagen inklusive.
Angelegt als Polit-Soap mit täglich neuen Wendungen und Irrungen.
Was will man mehr.
Der Vorgang ist insofern hochinteressant, weil ein Land ein Experiment in einer 1:1-Versuchsanordnung durchführt, um herauszufinden: Ist es möglich, sich aus all den über Jahrzehnte eingegangen Verbindlichkeiten und Abhängigkeiten zu lösen und die Uhr nochmals auf Null zu stellen?
Ist es möglich, in dieser vernetzten Welt, alle Taue zu kappen und dann nochmals von vorne zu beginnen.
Unter der Annahme, dass dann alles viel besser wird.
Ich denke nicht, dass das klappen wird. Weil die einzige Möglichkeit, wie man in der Vergangenheit eine solche Frage beantwortet hat, heute nicht mehr geht: Mit Krieg.
Zumindest nicht in Europa.
Soviel steht bis jetzt fest: Ein solches Experiment erschüttert eine ganze Nation und zerrüttet ein politisches System, das bis anhin weltweit als Hort der demokratischer Stabilität galt.
Niemand weiss, wie das mit dem Brexit ausgehen wird. Niemand hat derzeit eine Vorstellung davon, was denn die Lösung wäre für all diese Dilemmas, in denen man feststeckt wie in einem Schlammloch.
Dass das Unterhaus den Austrittsvertrag abgelehnt hat, ist wenig überraschend. Wenn man den Briten bei ihren Diskussionen zuhörte, musste man sich immer mal wieder die Frage stellen: Auf welchem Planeten leben die?
Das eigentlich Erstaunliche: Wie wenig die Briten nach all den Jahren in der EU von den Mechanismen der EU verstanden haben.
Eines steht fest: Der Brexit wir noch für weitere spannende TV-Stunden, für kluge Kommentare und Analysen sorgen.
Und möglicherweise auch für überraschende Wendungen.
Lois meint
Bei der EU ist es wie bei Scientology: rein kommt man problemlos, nur raus nicht mehr. Erst recht nicht mit so einem kabarettesken Parlamentsspektakel.