Am Sonntag hat mich jemand auf Twitter gefragt, ob mit diesem deutlichen Nein zur Fusions-Initiative der Sarah-Jane-Graben nun zugeschüttet worden sei. Nein, habe ich geantwortet, er wurde lediglich von der Hülftenschanz an den Stadtrand verlegt. Allerdings, das deutliche Nein im Bezirk Arlesheim ist weniger der Hülftenschanz-Tümelei geschuldet, als vielmehr dem eigenen Portemonnaie. Es sind nicht wenige im Speckgürtel (städtische Sicht), die mit den gegenwärtigen Verhältnissen mit tiefen Einkommens- und Vermögenssteuern und gutem städtischen Kultur- und Bildungsangebot ganz gut klarkommen. Es gab also durchaus auch rationale Gründe für ein Nein.
Trotz geschwellter Brust der Kantonspatrioten: Auf der Landschaft hat sich mit dieser Abstimmung rein gar nichts verändert; von Aufbruchstimmung keine Spur. Was hingegen zementiert wurde, ist die bis anhin lediglich latent vorhandene Antipathie gegenüber Basel-Stadt. Diese von der SVP und der FDP während der Abstimmungskampagne geschickt bewirtschaftete Gefühlslage ist dank der überraschend satten Mehrheit vom Sonntag nun Kantonsdoktrin und wird die Diskussion um die Partnerschaft auf Jahre hinaus bestimmen. Und noch bei einem anderen Punkt könnten die Kantonspatrioten recht bekommen. Mit ihrem – hier leicht abgeänderten – Slogan: «Zehn Jahre lang ist jeder Fortschritt blockiert», haben sie nämlich die nähere Zukunft treffend beschrieben. Denn der Kanton Landschaft befindet sich in einer derartigen finanziellen Schieflage, dass gestaltende Politik auf Jahre hinaus kaum mehr möglich ist.
Das Finanzdesaster ist denn auch DAS politische Problem, um das sich alles dreht und das «die in Liestal» seit über zehn Jahren vor sich herschieben. Bislang wurden nichts als Scheinlösungen auf den Tisch gelegt. Auf der Landschaft fehlt die politische Kraft der Vernunft. Deshalb war am letzten Sonntag die wirklich wichtige Abstimmung nicht die Fusionsvorlage, sondern die zum Vermögensverzehr für Heimbewohner und die damit verbundene Anpassung der Ergänzungsleistungen des Kantons nach unten. Weil ein paar wenige Landräte während der Schlussabstimmung in der Kaffeepause waren, musste das Gesetz dem Volk vorgelegt werden. Und das hat die Vorlage mit 52 zu 48 Prozent abgelehnt.
Dieses Abstimmungsergebnis gibt einen Vorgeschmack auf das politische Kräftemessen der kommenden Jahre. Da geht es nicht um städtisches Unterbaselbiet gegen ländliches Oberbaselbiet, sondern um den Kampf der Generationen um die knapp gewordenen finanziellen Mittel. Der Landkanton rutscht in die Demografiefalle. Ab 2018 zeigt die Neurentnerkurve für zwölf Jahre steil nach oben. Rund 30 Prozent der Einwohner im Baselbiet werden 2030 65+ sein. Damit ist ein ebenso spürbarer Rückgang der Steuereinnahmen zu erwarten, verbunden mit einem steilen Anstieg der Gesundheitskosten..
Um neues Steuersubstrat zu gewinnen, ist der Landkanton dringend auf Zuwanderer angewiesen. Weil der interkantonale Wanderungssaldo zu gering ist, bräuchte es eine erhebliche Zuwanderung aus dem Ausland, was bis anhin auch gut geklappt hat. Doch nun schliesst sich der Kreis. Diejenigen, die in den letzten Wochen am lautesten «Vo Schönebuech bis Ammel» gesungen haben, drehen auch den Zuwanderungshahn zu.
Woher also Finanzdirektor Lauber seine Zuversicht nimmt, ab 2016 wieder schwarze Zahlen schreiben zu können, bleibt eines der vielen Rätsel, die dieser Mann aufgibt.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 1. Oktober 2014.
gotte meint
mm hat recht. BL droht die kravattentragende gerontokratie. da bleibt die nächsten 10 jahre einiges blockiert.
paule meint
Muss auch heute wieder feststellen, dass Ihre Bilder beeindruckend sind.
Was Ihre Argumentation anbelangt, so sehe ich das auch so, dass „die in Liestal“ die Finanzen nicht im geringsten im Griff haben. Hingegen habe ich ein wenig geschmunzelt, dass Sie jetzt einfach eine zweite Abstimmung zur Wichtigsten erklären. Sauberer Trick aus der politischen Zauberkiste.
Henry Berger meint
@CD …und dies insbesondere, da ja die ehemalige Mittepartei FDP im Baselbiet mit der SVP weitgehend „gleichgeschaltet“ wurde. In der DDR hätte man das wohl als „Blockpartei“ bezeichnet
Städter meint
Die Zuwanderung bleibt für BL weiterhin gewährleistet, zum Leidwesen von BS, weil dort die Bewohner mehrheitlich neue Bauzonen ablehnen, wie man seit Sonntag weiss.
CD meint
Als Fusionsbefürworter und Liberaler ist meine Konklusion aus der Abstimmung, dass ich auf Kantonsebene künftig taktisch (sprich entgegen meiner politischen Haltung) nur noch links wählen werde.