Habe eben Knechtlis Kommentar zum Urteil des Baselbieter Kantonsgerichts (Mehr als eine Ohrfeige für die „Basler Zeitung“) in Sachen Wirtschaftskammer Baselland gegen Baslerzeitung und Joël Hoffmann gelesen.
Immer im Auge links dieser aufdringliche Blink-Blink-Werbebanner der Wirtschaftskammer, die schon seit Jahren zur treuesten Werbeauftraggeberin des Knechtli-Blogs zählt.
Knechtlis etwas einfältige These: Einer „überheblichen Chefredaktion“ ist ein„tollkühner“ Jungjournalist aus dem Ruder gelaufen.
Knechtli schreibt von „künstlicher Skandalisierung“ und von „unsorgfältigem Geschichtenschreiben“.
Es soll ihm eine Lehre sein, schwingt der inzwischen ziemlich in die Recherchierjahre gekommene GmbH-Besitzer den Mahnfinger und gibt ihm den Rat auf den Weg: „Weniger Artikel“.
An der Stelle habe ich kurz geglaubt, er zitiere den Mozart-Film, die Stelle, wo der Kaiser Mozart auffordert: „Weniger Noten.“
Dass die Wirtschaftskammer jubelt – geschenkt.
In Bern hat man gegen das Regionaljournal eine Prozessschlappe eingefahren. Genauso wie später vors Bundesgericht.
Wer sich trotz des weitverbreiteten Erinnerungsverlusts bei politischen Themen noch daran erinnert: Die Berichterstattung in den Medien hat dazu geführt, dass Busers Wirtschaftskammer ihr Geschäftsmodell völlig überarbeiten musste, dass der Landrat die einschlägigen Gesetze nach heftiger Diskussion geändert, dass man gar das Volk um seine Meinung bemühte. Und last but not least gar ein Regierungsrat vor Gericht erscheinen musste (wurde freigesprochen.)
Herr Buser wurde nicht mehr als Landrat bestätigt und war bei den Nationalratswahlen erneut ohne Chancen. Beides für sich genommen die politische Höchststrafe für einen, der im Kanton Baselland eine Machtposition inne hat, wie sonst kaum jemand.
Ich habe, wohl genauso wenig wie Hoffmanns Journalistenkollegen, die Klageschrift durchgelesen.
Was mich hingegen interessiert, ist das Urteil des Kantonsgerichts.
Weil es sich angeboten hat, habe ich mal völlig willkürlich den ersten Beitrag Hoffmanns, der gemäss dem Kantonsgericht die Klägerin „unlauter in deren Wettbewerbsstellung verletzt haben“ soll und deshalb vom Netz muss.
„Was für Christoph Buser auf dem Spiel steht“ – der Beitrag ist noch immer online abrufbar.
Der Bericht handelt vom damals ziemlich überraschenden Umschwenken der FDP in Sachen Spitalfusion.
Hoffmann schrieb, was damals von allen ernstzunehmenden Politbeobachtern gesagt und von vielen Politikern als Erklärung, von mir aus als Spekulation, herumerzählt worden war: Der Schwenker sei erfolgt, weil die Wirtschaftskammer damit ein grosses, was heisst, mitgliedbeitragstarkes Unternehmen verlöre.
Der Eingangsfakt („Sollte das Kantonsspital Baselland (KSBL) mit dem Unispital Basel fusionieren, würde die Baselbieter Wirtschaftskammer ein grosses Mitglied verlieren), ein Faktum, wurde mit einer ausführlichen Erklärung, wie denn das Geschäft funktioniert, erläutert.
Hoffmann liess, wie man das halt so in einer Recherche zu einem verdammt komplexen Thema macht, einen versierten Fachmann zu Wort kommen: Thomas Gächter, Professor für Staats-, Verwaltungs- und Sozialversicherungsrecht an der Universität Zürich.
Der erläuterte die Einzelheiten und Achtung, derzeit Lieblingswort aller Redaktionen, „ordnete ein“.
Ich will jetzt nicht alles wiederholen, was er geschrieben hat. Kann man derzeit ja noch nachlesen.
Kommen wir deshalb zum Punkt, weshalb ich über das Urteil des Baselbieter Kantonsgerichts ziemlich erschüttert bin.
Nämlich darum:
Wenn eine solcher Artikel im Kanton Baselland nicht mehr veröffentlicht werden kann, wenn ein Gericht entscheidet, dass eine solche Recherche für die Leserinnen und Leser im Landkanton vom Netz genommen werden muss, weil die im Betrag erwähnte Klägerin „in deren Wettbewerbsstellung verletzt“ sein soll – in Bezug auf die günstigere AHV-Ausgleichskasse der Handelskammer? – na dann gute Nacht Pressefreiheit.
Dieses Baselbieter Urteil mit verblüffenden Begründungen öffnet allen Tür und Tor, die sich von Zeitungen, Radio oder Fernsehen – Blogs sind wegen ihrer geringen Reichweite total uninteressant – auf den Schlips getreten oder gar entlarvt fühlen.
Dieses Urteil muss durch die Instanzen gezogen werden.
Grundsätzlich und prinzipiell.
PS: In Basel kommt es demnächst zu einem weiteren Gerichtsfall Wirtschaftskammer gegen Basler Zeitung/Hoffmann. Wird interessant werden, zu erfahren, wie in Basel die Pressefreiheit beurteilt wird.
PS II: Zur Klagefreude der Wirtschaftskammer: Die Klage wegen des Regionaljournalbeitrags “Millionenskandal oder formaljuristisches Problem?” wurde zuerst vom Handelsgericht Bern angewiesen (Wika sei nicht klageberechtigt), dann wurde vom Bundesgericht entschieden, das Handelsgericht müsse doch darauf eintreten. Im Sommer hat das das Handelsgericht die Klage auch inhaltlich abgewiesen und dagegen zieht die Wika jetzt noch vor Bundesgericht.
Bringold Margareta meint
In diesem Kanton darf einen nichts mehr wundern. Der Sumpf ist wohl noch tiefer als angenommen. Und nur weil der Puppenspieler nicht mehr im Landrat sitzt, heisst das noch lange nicht, dass er nicht weiter die Fäden zieht. Dass den Medien der kritische Journalismus quasi verboten wird, ist äusserst bedenklich und erschüttert tatsächlich.
Theo meint
Geld hat sie ja noch immer, die Wirtschaftskammer, da kann man bis St. Nimmerlein immer weiter klagen.
Und so lange die Richterinnen und Richter nach Parteibuch statt nach Kompetenz gewählt werden, wird im Baselbiet der Wirtschaftskammer auch nichts Juristisches passieren.