In Muttenzsteht ein Baselbieter Regierungsrat vor Gericht.
„Zeuge zeichnet Bild eines mafiösen Kantons“ titelt die Basler Zeitung.
Michel Rohrer zeichnete das beklemmende Bild eines subtil mafiösen Kantons, in welchem die Wirtschaftskammer den Wahlkampf «ihrer» Regierungsräte wesentlich finanzierte und sich diese danach mit generösem Entgegenkommen und Abnicken bedanken durften.
Das Erstaunliche ist nicht diese Aussage.
Weil das alle im Liestaler Politbiotop nicht nur wussten, sondern als völlig normal beurteilten:
Wenn Herr Weber am Sonntag siegt, dann ist das in erster Linie ein Sieg für die Wirtschaftskammer
Und weiter habe ich im April 2013 geschrieben:
Die Wirtschaftskammer bestimmt, wer aus dem bürgerlichen Lager politische Karriere macht und wer nicht. Sie entscheidet, wer Regierungsrat wird und sie mauschelt bei der personellen Besetzung der wichtigen Landratskommissionen mit.
Das Erstaunliche ist, dass jetzt in einem Gerichtssaal gesagt wird, was im Landkanton allgemein akzeptierte Selbstverständlichkeit und deshalb System war: „…die Wirtschaftskammer den Wahlkampf «ihrer» Regierungsräte wesentlich finanzierte und sich diese danach mit generösem Entgegenkommen und Abnicken bedanken durften.“
[] wenn man Politik nur noch jenen überlässt, die stark sind, dann werden die Verbände, seien es Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften oder Greenpeace, immer stärker – und die Parteien immer schwächer. Dann geht in unserer Gesellschaft etwas schief.»
Es ging damals um die Parteienfinanzierung. Die Parteien sollten mit Steuergeldern von der Wirtschaftskammer unabhängig gemacht werden.
Doch mit dem Prozess in Liestal ist das nicht mehr eine politische Launenhaftigkeit des Baselbieter Politbiotops, sondern rechtsrelevant: Das System Gysin sitzt auf der Anklagebank.
Weil das „System Gysin“ politischer Alltag war, stiess, wer das infrage stellte, im bürgerlichen Lager auf Kopfschütteln, auf ein überhebliches Kopfschütteln.
Oder es riskierte eine langwierige rechtliche Auseinandersetzung mit der Wirtschaftskammer, wer unangenehme Details ans Licht brachte, wie sie jetzt in Liestal verhandelt werden..
Ich hab’s zwar vor zehn Jahren geschrieben, doch mit dem Prozess in Liestal kann man’s nochmals wiederholen.
Wir sind Zeugen des Untergangs eines Systems, das in den letzten dreissig Jahren die Politik des Landkantons nicht nur geprägt sondern schlicht und ergreifend bestimmt hat – das System Gysin.
Selbst ein Freispruch für Herrn Weber wird nichts mehr daran ändern. Er wird ohnehin nicht mehr zur Wiederwahl antreten.
Theo meint
Nur einen kurzen Moment hat das System Gysin gewankt; zu seinem Glück ist auch das Gerichtssystem fest in der Hand der wirtschaftskammerabhängigen politischen Parteien, so dass es zu einem Freispruch mit Glanz und Gloria gekommen ist.
Es war für manche Leute ja schon fast Majestätsbeleidigung, dass die Staatsanwaltschaft überhaupt ermittelt und angeklagt hat.
Anonymus meint
Dass es in diesem Prozess, um das System Gysin gegangen wäre, ist mir neu. Aber, dass es darum hätte gehen sollen, da haben Sie recht!
Bringold Margareta meint
Sind wir wirklich Zeugen eines Untergangs dieses Systems? Es hat sich doch gar nichts geändert. Oder werden die vielen Leistungsvereinbarungen des Kantons mit der Wirtschaftskammer und ihren Trabanten (Energiepaket/Tourismus Baselland, etc.) wirklich genauer angeschaut und kritisch hinterfragt? Auch wenn Buser nicht mehr selber im Landrat sitzt, hat er seine Helferli, die dafür sorgen, dass die Geldquellen weiter sprudeln. Die Wahl- und Abstimmungskampagnen werden nach wie vor durch die Wirtschaftskammer und seine Kässeli finanziert. Das System Gysin funktioniert immer noch einwandfrei.