Mal was Lokales. Wobei eine gewisse Beispielhaftigkeit für andere durchaus gewollt ist.
Das Thema ist verdichtetes Bauen.
Nächste Woche kommt eine Quartierplanung vor die Gemeindeversammlung, die, wie es halt Quartierpläne landauf, landab so an sich haben, stark umstritten ist.
Trotz strikter Einhaltung des gültigen Zonenplans.
Aber eben.
Den meisten wird erst klar, was so eine abstrakte Ermöglichungsplanung bedeutet, wenn es konkret werden könnte.
Verdichtetes Bauen bedeutet dank einer höheren Ausnutzungsziffer mehr Wohnungraum auf gleich vielen Quadratmetern Bodenfläche.
Ein gutes Geschäft für Investoren.
(Weil die Gemeinde nichts von der damit einhergehenden Wertsteigerung des Bodens hat, hatten die Baselbieter in einer Abstimmung beschlossen.)
Was bei Nachbarn des betroffenen Gebiets und bei anderen die üblichen Reflexe auslöst: Mehr Verkehr! Weniger Grünfläche! Mehr Lärm!
Weniger Lebensqualität.
Ich möchte den Fokus auf etwas ganz anderes lenken: Auf den noch immer steigenden Wohnflächenverbrauch pro Kopf der Bevölkerung.
Im Kanton Baselland beträgt dieser aktuell 48m2 pro Bewohner einer Wohnung. Gemäss einer Studie für Zürich, die man aufs Baselbiet umlegen kann, sind das 11 Quadratmeter pro Bewohner mehr als noch vor dreissig Jahren.
Die Studie besagt, dass seit 1970 der Wohnflächenverbrauch pro Bewohner um satte 40 Prozent zugenommen hat.
Interessant ist deshalb, dass trotz der enormen Bautätigkeit der letzten beiden Jahrzehnten die Einwohnerzahl in Arlesheim seit 20 Jahren stagniert (2003: 9 035; aktuell: 9 165 Einwohner).
Was konkret bedeutet: Gebaut wird in Arlesheim nur noch, um den noch immer steigenden Wohnflächenbedarf zu befriedigen.
Die Absicht des verdichteten Bauens und damit des Quartierplans – „eine geordnete, haushälterische Nutzung des Bodens“ – erhält so eine ziemlich fragwürdige Bedeutung.
Das wäre die eigentliche Diskussion, die geführt werden müsste.
gotte meint
der gesteigerte wohlstand korreliert 1:1 mit dem flächenverbrauch. anders als ecopop oder die svp meint, sind es weniger die zuwanderer oder kinderreiche familien des südens, die zu mehr enge führen, sondern die wohnbedürfnisse der speckangesetzten wohlständler, die nicht nur ihre erstwohnfläche vergrössern, sondern auch kräftig zweit- und drittdomizile betreiben (8% der CH-haushalte haben zweitwohnung). vorgaben zur minimalen flächennutzungsziffer, wie sie wohngenossenschaften haben, wären in kantonalen oder kommunalen baureglementen wohl bis auf weiteres absolut undenkbar.
Steven meint
Der Preis richtet’s mit der Fläche.
Die Subventionierung der Mobilität (ÖV, Auto, Fliegerei(!)) ist der wahre Übeltäter.
Christoph Meury meint
Apropos «kommunal undenkbar«: Birsfelder Gemeindeversammlung beschliesst 50%-Quote für gemeinnützigen Wohnungsbau.
Die Gemeindeversammlung hat am 16. Dezember 2019 mit Grossen Mehr das „Reglement zur Förderung eines vielfältigen und preisgünstigen Wohnungsbaus bei Sondernutzungsplanungen“ beschlossen.
Darin wird festgehalten, dass bei Sondernutzungplänen (in Basel-Stadt Bebauungsplan genannt) auf Grundstücken, die der Gemeinde gehören, mindestens 50% des neu erstellten Wohnungsangebots (Anzahl Wohnungen) durch gemeinnützige Bauträgerschaften realisiert wird.
Bei Sondernutzungsvorhaben auf privaten Parzellen soll mindestens 20% des Wohnungsangebots bei der Anfangsmiete oder dem Kaufpreis unter dem Medianwert für Mieten oder Kaufpreise bei Neubauwohnungen in Birsfelden liegen.
Dieses Reglement ist wegweisend. eine Pionierleistung!: Der Boden als nicht vermehrbares Gut wird immer knapper und treibt die Preise hoch. Mit den Quoten wird sichergestellt, dass bezahlbare Wohnungen geschaffen werden. Interessant ist es auch, dass nicht nur die Gemeinde sondern auch private Grundbesitzer in die Pflicht genommen werden.
gotte meint
„undenkbar“ wäre eine vorschrift, welche privaten bauherren (sic!) vorschriebe, dass in ihrem hüsli mindestens 4 personen leben müssen (ich rede nicht von genossenschaften und ich rede nicht von staatlich subventionierten grnossenschaften, wo der staat fie subvention von einer entsprechenden belegungsziffer abhängig machen kann: das ist gegenwärtig der einzige hebel)
Rampass meint
Natürlich wird für die 10-Millionen Schweiz (wer will das überhaupt?) mehr Fläche benötigt. Wohnfläche, Verkehrsfläche, Freizeitfläche etc. Ziemlich banal, diese Milchbüchleinrechnung. Auch lösbar für Non-Ecopopper und Nicht-SVPler. In „verdichtet“ bebauten Innenhöfen mit Blick auf die nächste Hauswand will niemand wirklich wohnen. Zuletzt die Befürworter solcher Ideen.
An Flächennutzungsziffern haben bereits Rampass‘ Freunde ihre liebe Mühe wenn der Stall aufgrund neuester Erkenntnisse irgendwelcher Behörden vergrössert werden muss weil die Standard-Kuh angeblich mehr Platz benötigt.
Chienbäsebärti meint
Aber wenn pro Wohneinheit 2 (unterirdishe) Autoabstellplätze vorgesehen sind, treten die «üblichen Reflexe» halt doch auf und erscheinen dann als Randnotiz. Das ist jedenfalls die Erfahrung im Kantonshauptort. Da wurden in den letzten Jahren vom Einwohnerrat über ein Dutzend Quartierpläne behandelt und bewilligt. Und kaum jemand hat bemerkt, dass das anvisierte Ziel der Baulandverdichtung — potente Steuerzahler in die Residenz zu locken — weitgehend ausbleibt. Statt dessen wird Liestal zu einem Pendler-Schlafort, dem wertschöpfende Arbeitsplatze mangeln.
Christoph Meury meint
Die Idee des verdichteten Bauens wird unterlaufen, wenn die Menschen dafür mehr Wohnraum beanspruchen. Daher gibt es neue Verteilmodelle. Die Wohnbaugenossenschaften praktizieren eine „effizientere“ Wohnnutzung schon lange. Heisst: Weniger Quadratmeter pro MieterIn, dafür günstigere Mieten (Kostenmieten).
Neuartige Vermietungsmodelle bietet beispielsweise einen Mietzins Bonus bei Einhaltung einer Mindestbelegung. Dabei gilt, dass die Mindestzahl der Bewohner der Anzahl Zimmer minus eins entsprechen muss. Ein Haushalt mit mindestens drei Personen kann sich beispielsweise auf eine 4,5-Zimmerwohnung bewerben und erhält im Mietvertrag einen Mietzins Bonus. Immobilien Basel hat unterschiedliche Modelle im Praxistest: https://www.immobilienbs.ch/projekte/arealentwicklung-maiengasse/
MM: «Ein gutes Geschäft für Investoren«. Jeder Deal hat zwei Seiten. Gemeinde und/oder Kanton haben die Möglichkeit durch die höhere Nutzung einen Mehrwert abzuschöpfen. Einige Gemeinden belasten im Gegenzug dem Eigentümer/Investor eine Infrastrukturabgabe. Zudem: Die neuen MieterInnen sind den Gemeinde willkommen, weil sie damit zusätzliche Steuereinnahmen generieren können. Das lokale Gewerbe gewinnt, weil die neuen EinwohnerInnen auch KonsumentInnen sind. Der Profit ist folglich nicht einseitig verteilt.
M.M. meint
„Mehrwert abzuschöpfen“ – eben nicht in Baselland. Wurde in einer Abstimmung (die ich mit verloren habe, abgelehnt.
„Infrastrukturabgabe“ – ist nicht der Rede wehrt und kann zu juristischen Auseinandersetzungen führen.
Neue Einwohner bringen Geld in die Gemeinde – das gilt in Arlesheim höchstens so, dass man mit mehr Bauen einen Rückgang verhindern will, (wird so auch noch argumentiert).
Üund nebenbei: Arlese ist ein AAA-Dorf, Mit Genossenschaften ist da nicht viel her.
Meury Christoph meint
Auch als AAA-Kaff wird man die Entwicklung nicht aufhalten können. Die Genossenschaften werden auch im Baselland Usanz werden und bei allen grösseren Bauprojekten mitbieten. Dazu gehören auch diverse Stiftungen u.a. Stiftung Habitat, Stiftung Abendrot.
Den Status Quo mit Vorurteilen gegenüber Wohnbaugenossenschaften zu verteidigen zeugt von einem Informationsdefizit. Die GenossenschafterInnen bewegen sich längstens im Mittelschichtsegment, sind MieterInnen mit hoher Konstanz, grosser Eigenverantwortung und hochkarätigem & fortschrittlichem Organisationsgrad und sie sind familienfreundlich.
Beispiel: Im Zentrum von Birsfelden (STEK) haben sich fast alle grösseren Baugenossenschaften und gemeinnützigen Stiftungen um Baufelder beworben.
Daniel Flury meint
Wenn ich mich nicht täusche, dann hat es rund um das Zentrum von Birsfelden seit über 50 Jahren beinahe nur Wohnbaugenossenschaften. Allerdings natürlich nicht exklusiv für «GenossenschafterInnen, die sich längstens im Mittelschichtsegment bewegen». Wer sein Berufsleben lang nur am Staatstropf hing, der muss das wohl so sehen, und «Gentryfizierung mit Steuervorteilen» als Zukunftsmodell verkaufen. Man will ja seinen Kindern auch etwas Gutes tun.
Christoph Meury meint
Die Eisenbahnerbaugenossenschaft ist eine der ältesten in Birsfelden ansässigen Genossenschaften. Wie der Name sagt, sind es vorwiegend ehemalige SBB Angestellte. Sind das jetzt schlechte, oder unwürdige Steuerzahler? Oder wo liegt der Unterschied zwischen SteuerzahlerInnen, welche am «Staatstropf«, am «SBB-Tropf«, am «Uni-Tropf«, am «Pharma-Tropf« oder sogar am «AHV-Tropf« hingen? Sie müssen wohl Ihr Weltbild etwas überprüfen…
Daniel Flury meint
Nehmen Sie sich an der eigenen Nase. Vor ein paar Jahren haben Sie herumlamentiert, dass Birsfelden finanziell schlecht dastehe, weil genau in diesen Genossenschaften vor allem Rentner leben, und die (natürlich) keine «guten Steuerzahler» sind. Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern … ?
qx meint
Eine unbequeme Diskussion ist fällig – der angebliche Wohnraummangel existiert nicht, der Flächen-Konsum steigt wohlstandsbedingt in Rekordhöhen, in der Schweiz stehen 80‘000 W leer, in BS leben 35‘000 M weniger als 1970 bei viel mehr Wohnraum und über 1% Leerstand. Das nennt man in der satten Wattenzone Mangel & Krise.