Wie sie da in Allschwil dicht gedrängt vorne an ihren Tischen sassen, die Regierungsleute von Stadt und Land, da musste man unwillkürlich an da Vincis «Das Abendmahl» denken. Ja, politische Kommunikation hat durchaus etwas mit geschickt inszenierter Symbolik zu tun.
Vor allem dann, wenn das Ergebnis relativ bescheiden ist.
Guy Morins Satz vom 30. September in dieser Zeitung hat die Tonalität der Verhandlungen mit den Baselbietern vorgegeben: «Ich bin es leid, diese Diskussionen zu führen.» Weshalb die Lösung «schieben wir ihnen doch ein paar Millionen rüber und kaufen sie uns» die logische Konsequenz des offenbarten Widerwillens ist.
Genial.
Das Ergebnis – auch im Kleingedruckten – folgt der Machtlogik: Wer schwach ist und trotzdem meint, die Interessen der Regionalmacht mit wenig durchdachten Manövern gefährden zu müssen, dem werden die Bedingungen des Zusammenlebens diktiert.
So ist das nun mal in der Politik.
Sowohl in der grossen als auch in der kleinräumigen in dieser Ecke der Schweiz. So kommt es denn, dass während der nächsten vier Jahre sowohl der Landrat als auch «das Baselbieter Volk» in zentralen Fragen der Finanzpolitik nichts mehr zu melden haben.
Addiert man die im Kleingedruckten festgeschriebenen Bedingungen, welche die Baselbieter Regierung vorbehaltlos akzeptierte, reden wir über noch nicht exakt budgetierte Sonderzahlungen von über hundert Millionen Franken, die dem demokratischen Diskurs entzogen sind.
Darüber hinaus wird in den nächsten vier Jahren Basel-Stadt mit der Landschaft über keinen einzigen der über 90 finanzwirksamen Verträge diskutieren. Wer es nicht weiss: Baselland zahlt inzwischen 400 Millionen Franken jährlich an gemeinsam geführte Trägerschaften.
Abhaken kann man nun auch die Diskussion um die Theatersubventionen. Mag man vielleicht noch in Hölschte von «eusere Kultur» schwadronieren, allein, das interessiert niemanden mehr. Auf den Punkt gebracht: Die links regierte Stadt hat mit einem jährlichen Check über 20 Millionen Franken die bürgerlich dominierte Landschaft bis 2019 schachmatt gesetzt.
Die Allschwiler Abendmahlszene war noch in anderer Hinsicht Anschauungsunterricht vom Feinsten.
Sie legte den politischen Irrsinn, der in dieser Ecke der Schweiz gehätschelt wird, einmal mehr bloss. In dieser Region leistet man sich den Luxus von zwei Regierungen, um einen im Grunde genommen banalen Entscheid zu verkünden. Es braucht zwölf Regierungsleute, zwei Parlamente mit 190 Gewählten, dazu zwei bürokratische Apparate mit mehreren Tausend Mitarbeitern, um den infrastrukturellen Alltag von gerade mal einer halben Million Menschen zu mänätschen.
So ist denn das Allschwiler Abendmahl – ein Jahr nach der auf der Landschaft auf Leben oder Tod geführten Abstimmungskampagne zur Prüfung einer allfälligen Fusion der beiden Kantone – DAS Sinnbild des grandiosen Scheiterns der Baselbieter Höhenfeuerromantiker: Die Regierung der Abstimmungssieger hat die Kapitulationsurkunde unterzeichnet.
Weil die Realität so ist, wie sie nun mal ist: Die eine Hälfte der beiden Basel ist nichts ohne die andere. Der Rest ist eine Frage der Organisation und der Finanzen.
Das sollten sich die Baselbieter Jubelbürgerlichen merken: Unfähigkeit wird eben doch abgestraft.
Entweder bringt man die geistige Fitness für die Exekutivarbeit selber auf, oder sie muss eben durch inspirierende Konkurrenz hergestellt werden.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 28. Oktober 2015.
Michael Przewrocki meint
Hirne als Fotoverrückter darüber nach warum das „Abendmahl“ so blaustichig war.
Meury Christoph meint
Die Kulturdirektorin hofft sehnlichst, dass der Deal mit der Stadt zustandekommt. Es gibt nämlich, wie wir heute an der PK vernommen haben, keinen Plan B. Auch bei Verzögerungen des politischen Prozesses gibt es keine Zwischenlösung. Im schlimmsten Fall werden ein paar Kulturinstitutionen hopsgehen müssen. Die verzweifelte Hoffnung ist zur Zeit das einzig Greifbare.
Die Sparmassnahmen im eigene Geviert werden nicht gerade zu einem Kahlschlag führen, aber erheblich und spürbar sein. Am Ende der Übung wird man froh sein müssen, wenn überhaupt ein Restposten identitätsstiftender Baselbieter Kultur übrig bleibt. Augusta Raurica wird zur kulturellen Hochburg – zum Hotspot – mutieren.
Vielleicht wird sich dereinst sogar die SVP BL das Brennholz für ihre geliebten Höhenfeuer bei der Bürgergemeinde der Stadt Basel borgen müssen.
Pius Helfenberger meint
Die BaZ ist unser Leibblatt nicht (mehr). Trotzdem finde ich sie seit längerem jeden Morgen in unserem Briefkasten.
Wie gut es doch Christoph Blocher und Markus Somm mit ihren abgesprungenen Abonnentinnen und Abonnenten meinen!
Glücklicherweise findet sich in der BaZ immer wieder mal Kolumnen, die man in diesem Blatt nicht erwarten würde, u.a. diese. Auch wenn man die Kommentare von MM manchmal etwas gar bärbeissig (nicht bärfusssig) oder besserwisserisch empfinden kann, dieser Beitrag sitzt absolut. Chapeau!
Ob die Kolumne einen nachhaltigen Beitrag zur Volchsverständigung zwischen den beiden Basel haben wird, wage ich als langjähriger Beobachter dieses Trauerstücks allerdings zu bezweifeln.
Henry Berger meint
Wunderschön auf den Punkt gebracht!