DIE WELTWOCHE wird sich in der kommenden Ausgabe ebenfalls mit Herrn Nussbaumer und dessen Politgeschäften befassen. Wir bringen den Beitrag schon heute.
Gastkommentar von Markus Schär
Die Politiker wollen noch mehr Geschenke verteilen, um die Solarenergie zu fördern. Dabei gäbe es angesichts der mangelnden Rentabilität und der kaum lösbaren Probleme dieser Technologie nur einen vernünftigen Entscheid: Aufhören.
„Hurra“, jubelte SP-Nationalrätin Jacqueline Badran mit einem Tweet: „Durchbruch in der Energiewende!“ Ihr CVP-Kollege Stefan Müller-Altermatt, der sich auf Twitter als „Cleantechjünger“ vorstellt, freute sich: „Wir haben in der Kommission gute Arbeit für die Energiewende geleistet.“ Und der Kommissionspräsident von der SP, Eric Nussbaumer, pries die Beschlüsse als „gut für unser Land“ und lobte besonders einen Mitstreiter von der CVP, den jungen Walliser Yannick Buttet: „Aus Dir wird sicher einmal ein Staatsrat oder Bundesrat :-)“
Die Parlamentarier zeigten sich so begeistert, weil sie in der Energie-Kommission letzte Woche ihrer liebsten Beschäftigung frönen konnten: mit dem Geld von anderen Leuten Geschenke zu verteilen. Die milden Gaben wollen sie allen zukommen lassen, die mit Solaranlagen auf ihren Villendächern, Gewerbeschuppen oder Sauställen Sonnenlicht und Subventionen ernten – denn jede Kilowattstunde „sauberer“ Strom ist gut für unser Land.
Und zwar zu welchem Preis auch immer. Über die Photovoltaik-Kleinanlagen von privaten Hausbesitzern schreibt der Bundesrat im Bericht zur „Energiestrategie 2050“, zu der bis Ende Januar die Vernehmlassung läuft: „Hier steht in der Regel der rentable Betrieb der Anlage nicht im Vordergrund.“ Sondern es geht darum, die Welt vor der Atomkatastrophe und dem Klimakollaps zu retten, dafür setzt die Politik die Ökonomie ausser Kraft.
Den „sauberen“ Strom will die Schweiz – die schon heute 54 Prozent mit „sauberer“ Wasserkraft erzeugt – seit 2008 fördern. Weil sich mit Wind, Grünzeug oder Sonnenlicht, die aktuell 0,26 Prozent der Produktion ausmachen, kein Strom zu Marktpreisen liefern lässt, unterstützt der Staat die Produzenten mit der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV): Er zahlt einen Teil der Differenz zwischen Produktionskosten und Marktpreis, den Subventionstopf äufnen alle Strombezüger mit einem Zuschlag von gegenwärtig 0,9 Rappen pro Kilowattstunde. Bei den Solaranlagen macht dieser Zustupf gegen 90 Prozent des gesamten Ertrages aus.
Ein Produkt zum fixen Preis verkaufen zu können, also konkret teuren Solarstrom mit Abnahmegarantie zu liefern, ist nicht nur eine gute Sache, sondern vor allem ein gutes Geschäft. Kein Wunder deshalb, dass die Interessenten den Topf für Solaranlagen schon am ersten Tag ausschöpften, als sich Projekte anmelden liessen. Weil inzwischen der ganze KEV-Trog leer ist, kommen alle Gesuchsteller auf eine Warteliste. Darauf stehen aktuell 22‘964 Projekte, davon 95 Prozent Solaranlagen – die aber dereinst nur 17 Prozent der Produktion aller KEV-Anlagen erzeugen sollen. Um die Warteliste abzubauen, „fehlt“ eine Milliarde, wie die „Tagesschau“ klagte, ohne einen Gedanken an die Wünschbarkeit zu verschwenden.
Wenn viel Geld wenig bringt, heisst das für Politiker: noch mehr Geld. Die Kommission des Nationalrats beschloss deshalb mit satten Mehrheiten – die im März auch im Rat halten dürften –, den Zuschlag auf die Kilowattstunde auf 1,4 Rappen zu erhöhen, um mit den Mehreinnahmen die Warteliste zu verkürzen. Ausserdem sollen die niemals rentablen Kleinanlagen, also das Hobby von Hüslibesitzern, einen einmaligen Investitionszustupf erhalten, wie es der verstorbene FDP-Nationalrat Otto Ineichen vorschlug. Wegen dieser weiteren Verteuerung des Stroms wollen die Politiker im Gegenzug die Unternehmen mit hohem Verbrauch Strom ohne Aufschlag beziehen lassen.
Die CVP, die BDP und die Grünen aller Fraktionen machen beim Geschenkeverteilen gerne mit, die SP treibt sie aber auch mit ihrer Cleantech-Initiative vor sich her. Das Volksbegehren verlangt, dass die Schweiz bis 2030 die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs, also inklusive Industrie, Haushalte und Verkehr, mit erneuerbaren Energien deckt. Im Initiativkomitee sitzen auch die SP-Bundesräte Alain Berset und Simonetta Sommaruga. Selbst die Landesregierung mit ihren Energiewendehälsen befand allerdings, die Initiative lasse sich nicht umsetzen. Doch die Nationalratskommission – mit vier Mitgliedern des Initiativkomitees, darunter Präsident Nussbaumer – bemüht sich gleichwohl darum.
Der Grüne Bastien Girod zeigte sich nicht einmal damit zufrieden: Die Schweiz bewege sich „im Vergleich zum nördlichen Nachbarn immer noch im Schneckentempo“. Tatsächlich sollte sich die Schweizer Politik die deutsche Energiewende, die voll auf die Sonne setzt, zum Vorbild nehmen – wie es nicht geht.
„Leider hat sich Deutschland bei den erneuerbaren Energien für die teuerste Technologie entschieden“, sagt der Alternativenergie-Papst Fritz Vahrenholt. Deutschland hat für Solaranlagen bisher 110 Milliarden Euro vergeben und weitere 120 Milliarden fest versprochen: Damit erzeugt es 3 Prozent seines Bedarfs. Dabei eignet sich kaum ein Land so schlecht für die Sonnenenergie wie Deutschland. Einerseits hat es in weiten Teilen die gleiche Sonneneinstrahlung wie Alaska – auch Bern liegt nördlicher als die kanadischen Städte Toronto oder Montreal. Anderseits braucht die weltführende deutsche Industrie viel verlässlichen Strom; aus den Solaranlagen kommt er aber nur unregelmässig. Vor allem liefern die Solaranlagen 85-90 Prozent des Stroms im Sommerhalbjahr, die Haushalte brauchen ihn aber im Winter.
Das beschert Deutschland kaum lösbare Probleme. Im Hochsommer überlastet der Solarstrom das Netz; deshalb müssen die Deutschen andere Kraftwerke abstellen, auch die ökologisch besten Flusskraftwerke, und den Strom nach Polen und Tschechien leiten, was zu Konflikten mit diesen Ländern führt. Die Industrie braucht sicheren, günstigen Strom; deshalb muss die Politik die Unternehmen von den Abgaben entlasten und die Stromversorgung mit Dutzenden von neuen Kohlekraftwerken gewährleisten – Deutschland stösst darum mehr CO2 aus denn je. Die stark steigende Belastung durch die künstliche Verteuerung des Stroms müssen die Haushalte tragen, die nur einen Viertel verbrauchen. „Ein Sozialhilfebezüger in Berlin zahlt für einen Villenbesitzer in Bayern, der dieses Investment vermag“, stellt Vahrenholt fest. „So fliessen 6 Milliarden Euro im Jahr von den Armen zu den Reichen.“
Aber die Schweizer Politik lässt sich von der Praxis nicht beeindrucken, geschweige denn von der Theorie. Dank den Vorschlägen der Kommission „können Mühleberg, Beznau I und II vom Netz genommen und mit erneuerbaren Energien ersetzt werden“, jubelt die SPS. Die Politiker missachten allerdings die Basics, wenn sie Kernkraftwerke wie Leibstadt (1200 MW maximale Leistung) oder Beznau I und II sowie Mühleberg, die zusammen ebenso viel leisten, dank erneuerbarer Energie überflüssig machen wollen. Denn rund um die Uhr laufende Kernkraftwerke erzeugen übers Jahr 85 bis 90 Prozent der möglichen Strommenge, Solaranlagen aber nicht einmal 10 Prozent. Das heisst: Für die Jahresproduktion aller bisher durch die KEV geförderten Anlagen von 1350 Gigawattstunden – davon machte die Photovoltaik gerade mal 6 Prozent aus – müsste das KKW Leibstadt 47 Tage laufen. Und den Strom der zusätzlichen Solaranlagen, die der Nationalrat mit 350 Millionen fördern will, liefert es in fünf Tagen.
Die hurraschreienden Parlamentarier boten also vor allem ein Lehrbuchbeispiel für die Politökonomie, wie sie der letzte Woche verstorbene Nobelpreisträger James Buchanan schuf: Politik machen bedeutet, der eigenen Klientel Geschenke zu verteilen, indem man die stark Betroffenen (die Industrie) ruhigstellt und die Masse (das Volk) belastet, ohne dass sich Widerstand regt. Wer will sich denn gegen 1,4 Rappen pro Kilowattstunde wehren – mag die damit ausgeschüttete Subvention auch sinnlos sein?
merlinx meint
Es wird sich rächen, wenn man jetzt meint, es rechne sich nicht.
Wieso sollten diese Leute nicht auch einen schwunghaften Handel mit Visionen, sogenannten Solar Energy Futures, aufziehen können? Das sind in Wirklichkeit sehr innovative Termingeschäfte mit Klima und Wetter, vor allem bei diesen positiven Aussichten, in paar Jahren mit höherer Sonneneinstrahlung und steigender Hitze rechnen zu dürfen.
Bildlich gesprochen, diese Leute werden nicht braun, weil sie auf dem Golfplatz rumspazieren, sondern weil sie auf den Dächern Panels und Röhren montieren, das ist doch sympathisch.
Egal welcher Kandelaber-Poster-Boy welcher Partei auch gewählt werden wird, Hauptsache, neue junge Leute kommen ans Ruder. Die demographische Entwicklung hat auch dazu geführt, dass unserer Gesellschaft der Innovationswille abhanden gekommen ist. Die „Alten“ hocken einfach nur noch auf ihrem Geld und möchten, dass alles so bleibt, wie es ist.
Gerbi meint
Tja, Nussbaumer bedient sich ungeniert während die SVP den Wahlkampf verschläft. Im ganzen Kanton hängen Nussbaumer-Plakate und Schafroth-Plakate. Es geht also um ein Duell Schafroth-Nussbaumer. Thomas Weber hat kein einziges Plakat aufgehängt. Unterdessen hat es auch keine freien Strassenkandelaber mehr für ihn. Auch in den Medien ist er absolut abwesend (derweil Nussbaumer im Telebasel, in der BaZ usw. ständig präsent ist).
Siro meint
http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article112791714/Das-Unwort-ist-ein-Unwort.html 🙂
Siro meint
Wenn nicht jener das Geschäftsrisiko trägt, welcher investiert, sondern der Steuerzahler, sind wir soweit wie bei den „Bankenrettungen“. Später wird darüber geklagt, dass der „kleine Mann“ die Investition „der Reichen“ schützen und bezahlen muss. Wenn Politiker in eigener Sache legiferiefieren, um ihre Renditen auf Kosten des Steuerzahlers zu sichern (offiziell: für „die Volkswirtschaft“ oder den „Kilmaschutz“), dann bin ich froh, wenn dies endlich öffentlich bekanntgemacht wird. Der Staat soll das Eigentum sichern, nicht das Geschäftsrisiko und somit private Renditen.
Schewardnadse meint
legiferiefieren – das Unwort des Tages 😉