Heute mache ich mich für einmal ziemlich unbeliebt mit meiner Kolumne. Mit der simplen Feststellung: Ich bin für die Gewerkschafts-Initiative AHVplus.
Ganz ohne schlechtes Gewissen.
Ich bin für diese Initiative, weil die Diskussion der letzten Monate gezeigt hat, dass die Politiker in Bern ganz offensichtlich nicht in der Lage sind, die Rentenfrage auch nur ansatzweise zu lösen.
Wer keine Antworten hat, schürt die Angst. Deshalb wird der Untergang eines der wichtigsten Sozialwerke an die Wand gemalt, so, als handle es sich um eine nicht mehr abwendbare Naturkatastrophe. Wo man nur noch Gott anrufen kann.
Was Wirkung zeigt.
40 Prozent der unter Dreissigjährigen glauben nicht mehr an die Zukunft der AHV. Doch gemach: Die Lage ist zwar hoffnungslos, aber nicht ernst (Bonmot).
Dreh- und Angelpunkt der Diskussion ist das Jahr 2030. Bis dahin könnte das jährliche Defizit der AHV, so lesen wir, auf 11,4 Milliarden Franken anwachsen (Bundesamt für Sozialversicherungen 2011) oder auf 8,9 Milliarden Franken (Tages-Anzeiger 2012) oder auf 8,3 Milliarden (Gegner der Initiative) oder auf 7,5 Milliarden Franken (Arbeitgeberverband 2016) oder auf 6,9 Milliarden (neueste Prognose des Bundesrates).
Genaues weiss man nicht.
Auf alle Fälle beträgt die Differenz zwischen der schwärzesten Prognose und der aktuellen Rechnung des Bundesrates 4,5 Milliarden Franken – etwas mehr also als AHVplus kosten wird.
Wie auch immer: Wir haben bei den Renten ein Finanzierungsproblehm.
Der Vorwurf, den man uns Babyboomern macht, ist ja der, dass wir uns versicherungsmathematisch nicht gerade optimal ins Jenseits verabschieden. Weshalb man mit dem Schreckgespenst «Überalterung» Stimmung macht: Die Alten leben auf Kosten der Jungen; die Reserven schrumpfen, weil die Babyboomer die Rentenkassen verprassen.
Merke: Wenn Politiker sich in die Polemik flüchten, dann wissen sie nicht mehr weiter.
Jeder, der rechnen kann, weiss, ob 11,4 oder 6,9 Milliarden – diese Lücke kann nicht mit Lohnprozenten geschlossen werden.
Wenn die Frau an der Migros-Kasse AHV-Beiträge zahlt, aber der Self-Scanner, der sie überflüssig macht, nicht; wenn der Pöstler, der die Pakete bringt, AHV zahlt, aber der Roboter, der ihn ersetzen wird nicht, und wenn das Gleiche für den Lokführer, den Finanzanalysten, die Automechanikerin gilt – auch sie wird man wegdigitalisieren – dann ist die logische Schlussfolgerung: Für die AHV müssen neue Finanzierungsquellen gesucht werden.
Naheliegend: Zusätzlich zu einer möglichen «Roboter-Steuer» wird die Mehrwertsteuer heraufgesetzt. Diese beträgt in der Schweiz im Schnitt sechs Prozent, in Deutschland liegt der Höchstsatz bei 19 Prozent.
Konsumieren die Deutschen deshalb weniger?
Letzte Woche liess die FDP die Baselbieter Staats- und Gemeindeangestellten wissen, dass sie ihre Pensionskassenrenten demnächst um 20 Prozent (!) kürzen will. Das ist der Trend in der 2. Säule.
Wer über 50 ist, wird das nicht mehr wettmachen können.
Deshalb gilt: Zehn Prozent mehr AHV macht sie wieder zu dem, was sie mal war: zu einem Grundeinkommen.
Die AHV stärken heisst, sie im individuellen Rentenmix wieder zu einer starken 1. Säule zu machen.
Wenn sich die Politiker in ihren Kungeleien heillos verfangen haben, müssen die Citoyens das Heft in die Hand nehmen.
Mit gesundem Menschenverstand.
Und der besagt: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 14. September 2016.
Trashbarg meint
Ich sag’s mal so, wenn ich, bildlich gesprochen, am einen Ende der Leitung 100 Liter Wasser hineingiesse, kommen am anderen Ende nicht plötzlich 110 Liter raus. Da kann ich saugen oder blasen wie ich will, nützt nix.
U. Haller meint
Und jetzt mache ich mich unbeliebt – ist mir zwar völlig egal- mit der Feststellung, dass das ignorante Volk (oder zumindest ein Teil davon) die bitteren Realitäten verkennt oder diese aus parteipolitischer Taktik geflissentlich ausblendet. Vielleicht einmal die Studie » Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz – Lasten in die Zukunft verschoben« lesen, diese hat zumindest Hand und Fuss. Hier:
https://www.ubs.com/ch/de/swissbank/privatkunden/vorsorge/broschueren-ratgeber-publikationen/ubs-vorsorge-forum.html
Heiner Schäublin meint
Warum unbeliebt?
Wir hören zwar immer dass wir es nicht mehr können, aber wir hören nie, dass wir es müssen.
Wo wollt ihr eigentlich mit den Alten hin? Nach Nigeria, neben die Elektroschrott-Recycling-Halden?
h.s. meint
Und der Vorschlag der UBS ist:……………………………..mehr Selbstvorsorge. Öffnen Sie ein dritte Säule bei uns, investieren Sie in ETF’s. Ihr Banker freut die Kommision. Jedes Jahr. Garantierte Erträge? Sie wissen doch, dass die Börse immer steigt. Schauen sie doch nur mal die Dow Jones Index. Gut von die 30 Unternehmen wo mit wir angefangen haben ist die Mehrzahl ein Totalverlust. Wir konnten sie immer ersetzen mit wachsende Unternehmen und so die Index nach oben bringen.
Wie wäre es mit ein neue dritte Säule. Jeder muss 10% von sein Steuerbare Einkommen auf ein dritte Säule konto legen. Bevor wir merken (wie bei dei Riesterrente in D), dass es nicht funktioniert sind bereits milliarden an Gehälter bezahlt. Wer sieht wieviele Banker arbeitslos werden momentan, weiss was getan werden muss. Panik schuren und nebst Säule 1 (8.4% vom Einkommen) und ein Säule 2 (auch etwa 8%) noch eine Säule 3. Die Steuerminderungen sparen wir mit Sparmassnahmen bei die Prämienverbilligung, Bildung und Altersversorgung ein. Wer so dumm ist Kinder zu haben (a 250’000 CHF pro Kind) lebt sein Privathobby aus. Wie gute Liberalen immer sagen: Die Gewinne des Proles für den Staat, den Gewinne des Kapital privat.
Eine Kostenexplosion im Altersbereich ist nicht mehr abwendbar. Alles worüber wir streiten können ist wer Anspruch hat: Die Personen die Kindern erzogen haben oder die die ihre Pensionskasse voll gemach haben. Ich bin dafür, dass jeder mit 4 oder mehr Kindern eine volle Rente zugute hat, der sein existenzminimum um 10% überschreitet. Warum ein Ehepaar ohne kindern so wohl die maximale AHv als 2 Pensionen zu gute hat entggeht die Logik und das Ziel der AHV.
paule meint
Guter Versuch zu brüllen, Löwe. Doch die Rentenerhöhung wird abgelehnt und das ist auch gut so.
Redbüll meint
die kommt durch – garantiert