Wenn Sie das Pech haben, als Experte zu gelten, dann ist das, worin Sie gut sind, nichts mehr wert, wenn sich die Empörungsbürger zu einer Protestaktion versammeln.
Weil, als Experte ist Ihre Meinung gekauft.
Wenn also, wie ganz aktuell in Muttenz, 6211 Frauen und Männer eine Petition gegen Probebohrungen für den weiteren Salzabbau auf der Rütihard unterschreiben, dann ist die unverrückbare Wahrheit gefunden, gegen die Experten wohl vergeblich anrennen: Die Schweiz braucht das Muttenzer Salz nicht mehr.
Basta.
Populisten wird nachgesagt, sie böten einfache Antworten auf komplizierte Probleme. Die 6211 Muttenzer Populisten haben in der Tat eine einfache Lösung gefunden: Wir importieren künftig das Salz aus dem Ausland, zum Beispiel aus Ländern rund ums Mittelmeer.
«Ich war schon mal dort», sagt einer: «Die holen das Salz aus dem Meer und dank der Sonne erst noch ökologisch.»
Wer will bei solch naturbelassener Einfalt bestreiten, dass es im Mittelmeer genügend Salz gibt, um in der Schweiz die Salzstreuer auf Jahrtausende hinaus zu füllen?
Führt man die Diskussion über die Salzförderung im Baselbiet auf dieser Flughöhe weiter, dann können die Salinen den Laden in der Tat dichtmachen.
Zumal die Muttenzer Diskussion dank des Rütihard-Bauern auch noch den Nerv der Zeit trifft: Die Sehnsucht der Städter nach der heilen Landwelt, wo der Mensch nicht mehr ausbeuterisch den Boden nach Schätzen durchwühlt, sondern wieder zum Einklang mit der Natur findet.
Auch wenn das satte Grün auf der Rütihard von Monokulturen stammt.
Aber wen kümmerts. Es gilt, wie der Rütihard-Bauer, dieser Alpöhi ob dem Dorf, den gefühlten Verlust auf den Punkt bringt: «Der Boden ist nach den Bohrungen nie mehr wie zuvor.»
Wer kann dieser trivialen Wahrheit widersprechen?
Was uns mit dem Kampf um die Rütihard vor Augen geführt wird, ist das Gesetz der zunehmenden Unzufriedenheit mit der Demokratie.
Deshalb stellt sich schon die Frage, weshalb eine Partei wie die FDP sich an die Spitze einer solchen Bewegung stellt. Ehrlich wäre, wenn die FDP statt eine lediglich die Emotionen bedienende Petition zu starten, eine Initiative ergriffen hätte.
Dann befände man sich auf dem Boden der Demokratie und könnte über Sachfragen streiten.
Zum Beispiel darüber, wie der Standortkanton Baselland aus einem Vertragswerk mit den anderen 25 Kantonen aussteigen will. Oder wie ein Pächter mit Unterschriften den Eigentümer enteignet. Oder wie hoch die Entschädigung ausfallen wird, falls die Schweizer Salinen die geltende Salzkonzession nicht mehr nutzen können. Oder über die Ökobilanz des Schweizer Salzes im Vergleich zu Importen.
Das Salzgeschäft ist knallhart.
Kaum eine Handvoll Grosskonzerne beherrschen den umkämpften Weltmarkt. Weltmarktführer ist die deutsche K+S mit einem Umsatz von 1,7 Milliarden Euro (2017) allein in der Sparte Salz. Ein weiterer Grosskonzern, der den Schweizer Markt übernehmen könnte, ist die niederländische Akzo Nobel.
Die hohen Auflagen in der Schweiz und damit verbunden der hohe Preis versprechen gute Geschäfte.
Oder wie wäre es mit Billiganbietern aus Tunesien und Marokko, die nach Europa drängen? Deren Salz stammt aus dem Mittelmeer und kann dank den niedrigen Löhnen konkurrenzlos günstig importiert werden.
Auf gehts, retten wir die Natur für die Nordisch Walker. Egal was es kostet.
PS: Von 2004 bis 2012 war ich für die Rheinsalinen tätig.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 6. Juni 2018