Rund 440’000 Schweizer leben und arbeiten derzeit in der EU.
Für diese Schweizer galt bis zur Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens durch die Landbevölkerung der Schweiz folgende Rechtssichterheit:
Mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen gelten für Schweizerinnen und Schweizer im EU-Raum weitgehend die gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für EU-Bürgerinnen und -Bürger. Konkret haben Schweizer Staatsangehörige in der EU das Recht:
- auf geografische und berufliche Mobilität (Schweizerkönnen innerhalb des EU-Raums jederzeit den Wohnort, den Arbeitsort und die Stelle wechseln);
- auf gleiche Arbeitsbedingungen; auf koordinierten Sozialversicherungsschutz; im Falle einer Erwerbstätigkeit auf gleiche soziale und steuerliche Vergünstigungen;
- selbstständig erwerbend zu sein; während einer beschränkten Zeit Dienstleistungen zu erbringen;
- auf Anerkennung von Berufsqualifikationen im Hinblick auf die Zulassung zu einer reglementierten Erwerbstätigkeit; auf Familiennachzug;
- auf einen sechsmonatigen Aufenthalt für die Arbeitssuche;
- unter gewissen Bedingungen im Land zu bleiben, auch wenn sie nicht mehr erwerbstätig sind;
- im jeweiligen Land unter gewissen Bedingungen Immobilien zu erwerben.
Damit ist’s nun endlich vorbei!
Den 440’000 Fahnenflüchtigen im EU-Ausland sei ins Stammbuch geschrieben:
Es zeigt – und das ist die gute Nachricht dieses legendären Sonntags –, dass die Schweizer und Schweizerinnen entschlossen sind, das Schicksal ihres Landes selber gestalten zu wollen. Wir können nicht alles, was unsere Souveränität ausmacht – und dazu gehört die Zuwanderungspolitik – auf dem Altar der europäischen Integration opfern, allein um einiger wirtschaftlicher Vorteile willen…. Von der permanenten Erpressung aus Angst, die EU könnte uns Böses bereiten: Davon haben wir uns gestern befreit.
(Herr Somm, völlig ausser Atem, in der Basler Zeitung)
Also auf was wartet ihr: Packt die Koffer und kehrt zurück ins Reduit! Und ersetzt an der Heimatfront die EU-Ausländer!
PS: Frage: Wo ist eigentlich Herr Buser mit seiner Wirtschaftskammer? Antwort: Befindet sich in Deckung (hinter einer Gruppe Oberbaselbieter aus der einfachen Bevölkerung).
Hans-Ulrich Iselin meint
Das tönt ja fast schon wie die regelmässig wiederkehrenden eindringlichen Aufrufe an die jüdische Diaspora, schleunigst nach Israel zu ziehen, weil ausserhalb von Eretz Israel nur Diskriminierung, Verfolgung und Tod droht. Dass die Schweiz sich selbst einredet, von Feinden umgeben zu sein, mit Italien in der Rolle des Gaza-Streifens, von Hamas beherrscht, Oesterreich unter dem Fatah-Regime oder des von Hizbollah besetzten Baden-Württemberg, verdanken wir der genialen Hirnwäsche durch Blocher und seine Vasallen.
M.M. meint
Ich hatte eigentlich mehr die Volksdeutschen im Kopf, die Heim ins Reich beordert wurden. Deinen Vergleich, lieber Hansu-Ueli, finde ich ziemlich schräg, oder sagen wir es präziser: völlig deplatziert.
Urs Eberhardt meint
Wir hätten wohl beide eine weit schlauere Kampagne gemacht. Die paar Tausend zu kippen hätte ich sogar Dir zugetraut. Aber leider, da wir ja beide in Rente sind, ist das anderer Leute Baustelle. (Vor der wir uns allenfalls am Montagmorgen besserwissend aufstellen können.) Wenn die Franzosen mich rausschmeissen, komme ich halt zurück.
kaputtmundi meint
Hat denn Herrliberg mit dieser Initiative wirklich eine Diskussion über den Sack Kontingente durchsetzen wollen?
Ist nicht vielmehr der Esel Bern gemeint, bei dem jetzt wieder – mit einem Stockhieb -: Mehrheit statt Elite, Postkarten-Schweiz statt Post-Schweiz, Birchermüesli statt Einheitsbrei etc. in Erinnerung gerufen wurde?
Nachdem die versteckte Agenda lange herumgereicht und gepflegt wurde…
Wie heisst es doch so schön: „Bei Philippi sehen wir uns wieder“.
Markus Saurer meint
Beginnt jetzt der Elefant, Mäuse zu schultern? Oder Bären aufzubinden?
gotte meint
so, jetzt ist #abst14 vorbei. ich habe „nein“ gestimmt zur initiative. ich habe aber immer mehr im laufe der letzten 2 wochen gedacht, dass economiesuisse und die apfelbaum-kampagne völlig an den leuten vorbeigeht. die „einfache bevölkerung“, sprich die einfamilienhäuslibesitzer des zubetonierten agglogürtels im dreieck zürich-basel-bern, sind besorgt, dass ihre pendlerzüge voll sind, dass ihre gärten kleiner werden und dass ihre als „unverbaubar“ gekaufte aussicht doch zugebaut wird. economiesuisse antwortet: tut nicht so, da ist kein problem. die svp kapert die apfelbäumchen und trötet gut schweizerisch: „masslosigkeit schadet“ – wachstumskritik vom feinsten. und die antwort von economiesuisse: wachstum ist gut, wachstum ist unser erfolg. dann kommen, da hat somm recht, primitive weltuntergangs-warnungen. und jetzt, am tag 1 nach der abstimmung? von allen seiten heisst es nun, wir müssen verhandeln, lösungen suchen, das ging in der vergangenheit auch immer gut. am radio wurde sogar gesagt, die schweiz sei eine diplomatische mittelmacht, zudem sei sie gut im verhandeln – aussage: es kommt schon gut. dann melden alle vertreter der „einfachen bevölkerung“ ihre wünsche an: grosse kontingente für gastro! für die bauern! für die pflege! also für alle – es soll sich ja doch nicht wirklich etwas verändern, man will einfach, dass es so weiter geht wie bis anhin, aber einfach ohne dichtestress, den man ja selbst gar nicht fühlt. viele sind ein bisschen stolz, weil man ja als schweizer noch sagen darf, wo und wie es lang gehn soll – auch aus der eu anerkennende töne. – – – ich bin jetzt gespannt, wie es wirklich weiter geht. ich stelle einfach fest, dass die offzielle rhetorik heute anders ist als im vorfeld der abstimmung. und das ist genau das problem: die „einfachen leute“ machen seit dem ewr-nein die erfahrung, dass es schon gut kommt, irgendwie. es war deshalb nicht klar, dass es dieses mal auch anders kommen könnte. und warum soll man ins ausland als schweizer? wenn auch an den unis wieder swiss first gilt, kann man sich ja in zukunft beruhigt wieder wie weiland im eigenen saft drehen.
M.M. meint
Niemand weiss, wie’s weitergeht. In der Tat. Obwohl ja jeder Experte ist. Irgendwie.
Allerdings: Sollte diese Abstimmung tatsächlich KEINE Folgen haben, dann können wir die direkte Demokratie gleich abschaffen.
Dann handelt es sich dabei ja nur noch um sauteure representative Meinungsumfragen.
Denn: demokratische Entscheide ohne Folgen sind gar keine.
gotte meint
es wird sicher folgen haben. was ich meine: vor dem ewr hiess es: „wenn nicht ewr, dann weltuntergang!“. es kamen nicht der weltuntergang, sondern die bilateralen verträge. jetzt hiess es: „bilaterale = erfolgsmodell!, wenn nicht nein, dann weltuntergang!“. hat man denn nicht dadurch, dass man die bilateralen als supererfolg verkauft hat, indirekt die svp und das ewr-nein bestätigt? weshalb sollten die leute denn jetzt nicht wieder denken, dass der svp-weg der richtige ist? — seit in der europapolitik alle angst vor dem eu-beitritt haben, ist man in der svp-ecke – das lobpreisen des bilateralen wegs ist das grab der schweizer aussenpolitik – denn es ist das modell der svp-souveränität, das suggeriert, dass man selbst noch herr im eigenen haus ist. das will man schliesslich sein (siehe somm’scher kommentar von heute), aber man will trotzdem globalisierte preise, eu-fördergelder für die forschung, keine teure uni-ausbildung (sondern billig-importe von ärzten) und nicht zuletzt: 2 mal jährlich ferien (denn die häusli-aussicht ist öd, weil verbaut) in exotischen destinationen. kurz: es geht uns einfach viel zu gut. noch.
gotte meint
calmy-rey liest gotte: sie sagt das einzig richtige, und zwar gemäss 20min so: „Die Angst vor Christoph Blochers Partei mache, dass diese die gesamte politische Agenda dominiere. Calmy-Rey hält es für falsch, immer nur auf die SVP zu reagieren und deren Politik als Katastrophe hinzustellen, ohne Alternativen zu verteidigen und andere Gesellschaftsprojekte zu präsentieren.“
Hans-Ulrich Iselin meint
Zum Thema, ob direktdemokratische Abstimmungen Folgen haben, habe ich gestern auf facebook eine kurze ethnopsychologische und rechtshistorische Studie zum Thema Volksinitiativen in der Schweiz und zu Wahlverfahren im antiken Korsika verfasst. Hier ist sie:
A notebook on the principles of voting popular initiatives in Switzerland for travellers intending to visit that country.
By a Swiss citizen.
The Swiss are known for their favourite political game: voting popular initiatives. The principle is very simple: a text for the amendment of the Federal Constitution is voted. If 50.3 percent of the participating voters or about a third of the total electorate accept it, it is introduced into the Constitution. Immediately after the vote, the Swiss start to discuss what they have voted one and try to understand the meaning of the amendent. During the next 3 years, they try to translate the text of the amendment into legal dispositions that have to be voted by the parliament. According to the French historians Goscinny et Uderzo there is only one country where a similar way of voting is known: in their report „Astérix en Corse“ we learn that in ancient Corsica chiefs of clans have been elected by secret vote. The election is valid once the urns containing the voting sheets have been thrown into the sea. Then the fight on who has been elected can start.