Kürzlich habe ich hier geschrieben: „2030 wird nichts mehr so sein wie heute“.
Zugegeben, liest sich wie eine Binsenwahrheit.
Doch wenn wir die Umwälzungen der letzten zwanzig Jahre als Blaupause für die nächsten zehn Jahre nehmen, dann bekommt der Satz eine ganz konkrete Bedeutung.
Rückblende:
Das iPhone kam 2007 als erstes Smartphone auf den Markt – danach war nichts mehr wie zuvor.
Wer kann sich noch die Welt ohne Apps vorstellen?.
Kennt noch jemand Alta Vista? Das war in den 90ern die Nr. 1-Suchmaschine. bis sie in den 2000ern sang- und klanglos unterging. Seither dominiert Google den Internet-Suchmarkt.
Seit dem Aufstieg Googles ist kaum mehr etwas, wie es mal war.
Amazon – war mal ein Nischenplayer im Buchmarkt. Das Unternehmen ist inzwischen der Onlinekonzern, der das Retail-Spiel bestimmt. Nichts mehr ist für Globus, Migros und Co. so, wie es früher mal war.
Facebook, 2004 gegründet, hat nicht nur die sozialen Beziehungen der Menschen untereinander und weltweit verändert, sondern, wie wir inzwischen gelernt haben, auch die Politik und die Medien.
Besonders letztere hätten es gerne wieder so, wie es vor 2004 war.(Die BaZ hatte anfangs der 2000er ihre fettesten Jahre.)
Denken wir uns lediglich diese vier Beispiele weg – unser Leben wäre ein völlig anderes.
In den nächsten zehn Jahren wird unsere Wirtschaft fundamental umgekrempelt. Weil nicht mehr die Produktion der Waren im Vordergrund steht, sondern deren Entsorgung.
Es gilt: Alles was produziert wird, endet als Abfall.
Es wird ein Bewusstsein dafür entwickelt werden, dass im Kern immer nur Abfall produziert wird, wenn auch über den Umweg des neuen TV-Geräts und der modischen Bluse.
(Ich habe 1985 als Chefredaktor des Doppelstab in einer Sonderbeilage der BaZ zur Zukunft der Medien geschrieben, die künftig zentrale Frage sei nicht mehr die Produktion des Doppelstab sondern die Vernichtung der wöchentlich 220’000 Exemplare.)
Das Thema „Klimawandel“ kann man als Motor der Entwicklung betrachten, insbesondere was das Abfallprodukt CO2 anbelangt.
Bis 2030 werden in den hochentwickelten Ländern weniger als die Hälfte aller Fahrzeuge noch mit Verbrennungsmotor unterwegs sein.
Man sollte sich vorsehen: Ab 2025 wird auf dem hiesigen Occasionenmarkt für Diesel- und Benzinfahrzeuge ein dramatischer Preiszerfall stattfinden.
Weil niemand die Kisten mehr kaufen will. Und man damit ab 2030 nicht mehr in die Stadtzentren fahren darf.
Doch die Welt ist um einiges komplexer, als dass man sich allein auf das Thema Klimawandel versteifen kann.
Die grösste Herausforderung für unsere hochtechnologischen Gesellschaften stellt in den nächsten zehn Jahren die Artifizielle Intelligenz (A.I.) dar.
Unsere Gesellschaften werden sich in Gewinner und Verlierer spalten.
Gewinner sind die Wenigen, die es für die A.I.-Wirtschaft noch braucht und die Verlierer sind die, die wegen A.I. ihren Job verlieren.
Die Politik sollte schon heute davon ausgehen, dass anders als bei den bisherigen industriellen Revolutionen, nicht genügend neue Jobs für Taxifahrer, Bankmitarbeiter, Ärzte, Steuerbeamte, Architekten, Bauarbeiter und so weiter und so fort geben wird.
Es gibt keinen Berufszweig, der von A.I. nicht betroffen sein wird.
(Google hat heute schon ein Programm, das fünfzig Augenkrankheiten diagnostizieren kann, mit einer tieferen Fehlerrate als die von manchen Experten. Wie Google sich im Gesundheitsmarkt breit macht:
Royal Free breached UK data law in 1.6m patient deal with Google’s DeepMind.
Eine chinesische Versicherungsgesellschaft benutzt eine Gesichtserkennungssoftware, um herauszufinden, ob ihre Kunden lügen.)
Hanebüchen? Warten wir’s ab.
Wie das personalmässig schon heute aussieht: Hoffmann-La Roche beschäftigt weltweit 60’000 Mitarbeiter und hat einen Börsenwert von 209 Mia. Franken. Als Facebook 2012 Instagramm für 1 Mia. USD kaufte, beschäftigt das Unternehmen ganze 13 Mitarbeiter.
Das Thema „bedingungsloses Grundeinkommen“ wird auf der Tagesordnung ganz nach oben rücken, noch vor den Klimawandel. Gepaart mit neuen Steuersystemen, mit denen dieses finanziert wird, um das auseinander driften der Gesellschaft zu verhindern.
Apropos Politik: In den nächsten zehn Jahren wird sich entscheiden, ob unsere liberale Gesellschaft auf dem Friedhof der Geschichte entsorgt wird.
Stattdessen könnte am Ende des Jahrzehnts das chinesische Modell den Erdball dominieren.
Treiber der kommenden Umwälzungen ist der neue Mobilfunk-Standart 5G. Der wird derzeit mit ziemlich irrationalen Argumenten bekämpft.
Aber wir haben sie ja schon mal erlebt, die Angst, dass Hühner nach der Fahrt mit der Spanischbrötlibahn keine Eier mehr legen.
Die nächsten zehn Jahre werden in der Tat nicht langweilig werden.
PS: 2029 bin ich achtzig, dann unbestreitbar ein ziemlich alter Mann. Nichts mehr wird so sein wie mit siebzig – wobei….