Im Januar haben wir unseren sechs Jahre alten Opel Astra verkauft und ein Elektroauto gekauft.
Gestern Abend haben wir die 10’000-km-Marke erreicht.
Es ist kein Tesla, wie die Eingeweihten unter der Leserschaft anhand des Tachos unschwer feststellen werden.
Ich wollte noch nie einen Tesla.
Genauso, wie es mir bisher nie in den Sinn gekommen ist, einen Mercedes anzuschaffen.
Wir (ähem, ich) haben uns für einen Nissan Leaf entschieden.
Weil er als erstes Grossserien-Elektroauto für diesen Antrieb konzipiert wurde. Seit dem Verkaufsstart 2010 sind gemäss Nissan weiltweit 490’000 Stück verkauft. (Im Elektroautoland Norwegen Stand letztes Jahr: 60’000.)
Und man ihn gleich mitnehmen konnte.
Man kann also davon ausgehen, dass es sich bei der 2. Modellreihe um ein technisch ausgereiftes Auto handelt. Überhaupt gelten Autos dieses japanischen Herstellers als sehr zuverlässig.
Nun bin ich kein deutscher Automobiljournalist, sondern ein ganz gewöhnlicher Autofahrer. Weshalb ich an die Alltagstauglichkeit des Autos völlig andere Massstäbe anlege.
Die Reichweitenängste vorneweg: Der 62kw-Leaf hat eine Norm-Reichweite von 385 Kilometern.
Gestern bei Temperaturen um die Null Grad, d.h., mit Heizung und Beleuchtung an, und ausschliesslich auf der Autobahn gefahren (Tempomat, 110, 100, Baustellen 80) lagen wir bei rund 300 Kilometer Reichweite.
Was konkret bedeutet, dass der Besuch bei der Zürcher Verwandtschaft kein Problem darstellt. Zuhause angekommen, hatten wir noch eine Reserve von fast 60 Kilometer.
Nun fahren wir nicht täglich zur Verwandtschaft. In der Regel sind es 25 Kilometer am Tag, (schweizerischer Durchschnitt 38 km).
Was konkret bedeutet: Wir laden das Auto am Sonntag zuhause zum Niedertarif auf 80 Prozent, was während der ganzen Woche für unsere Fahrten völlig reicht.
(Ein grösseres Batterievolumen ist im Alltag nicht unbedingt für die maximale Reichweite wichtig. 80-Prozent Ladung bedeutet wie beim Tablet oder Handy, dass die Batterie geschont wird.)
Die längste Strecke, die wir mit dem Leaf bisher zurückgelegt haben, war die Fahrt nach München mit einem Ladestopp auf halbem Weg in Lindau.
Kaffeepause mit Ladezeit: 45 Minuten.
Der Clou: Unser Hotel mitten im Zentrum des Zentrums von München verfügt in der Tiefgarage über eine Ladestation. Wenn man nach drei Tagen wegfährt, ist das Auto geladen.
Gratisservice.
Ja, man muss die Fahrt mit einem Elektroauto zum voraus planen.
Hierbei hilft die Nissan Charge-App, die alle Ladestationen aufzeigt, mit denen Nissan Kooperationen eingegangen ist. Die haben den richtigen Anschluss für die 50KW-Ladung.
Abgerechnet wird über die App, ganz egal welchem Anbieter die Ladestation gehört.
In der kleinräumigen Schweiz mit ihrem Tempolimit ist die Reichweite eh kein Thema. Praktisch jede Autobahntankstelle verfügt über EV-Ladesäulen.
Auf der App kann man nachschauen, ob die gerade belegt ist.
Alltag: Auf dem Weg nach Arosa haben wir schon immer in der Raststätte Heidiland eine Kaffepause eingeschaltet. Jetzt hängen wir noch den Leaf an die Elektrosäule.
Was mir bei diesem Auto so als hundskommuner Autofahrer gefällt: Nissan verfällt nicht in einen Touch-Screen-Wahn.
Der Leaf ist kein fahrendes Tablet, sondern ein völlig normales Auto mit Knöpfen und Reglern.
Klar ist da auch ein Touchscreen, mit dem man CarPlay von Apple steuern kann. Aber ich mags lieber analog, weil das weniger ablenkt.
Selbstverständlich hat die Variante unseres Leaf sämtliche Assistenzsysteme, die ein zeitgemässes Auto bieten soll. Zum Beispiel den ProPilot, der ein halbautonomes Fahren zulässt.
Sehr angenehm ist das beim zumeist dichten Verkehr rund um Zürich. Das System hält die Spur und bremst ab bis zum Stillstand.
Um es auf den Punkt zu bringen: Der Leaf unterscheidet sich von einem anderen Auto dieser Klasse lediglich dadurch, dass er mit einem (lautlosen) Elektromotor angetrieben wird.
Ansonsten ist an diesem Auto wenig revolutionäres dran. Es dreht sich auch niemand um oder sagt bewundernd: „Oh ein Nissan Leaf!“
Dieses Auto fällt nicht auf.
Gut, der Preis macht den Unterschied. Würde ich in Deutschland wohnen, wäre auch der kein Thema. Die zahlen nicht nur üppig Prämie, sondern auch noch die private Ladestation.
Ohne die, das muss man sagen, geht’s nicht.
PS: Was das Fahren mit dem Leaf im Stadtverkehr wirklich schätze, ist das e-pedal. D.h., man bremst das Auto lediglich mit dem Gaspedal. Weil der Elektromotor das Auto verlangsamt (und dabei gleichzeitig Strom in die Batterien zurückführt), braucht man die Bremse kaum mehr. Nach ein paar Fahrten hat man das genaue Dossieren im Fuss.
Urs Steiner meint
Ein Bericht der sich sehr sachlich mit der Elektromobilität aus der Praxis befasst und vor allem mit dem Märchen der Reichweite aufhört und aufzeigt, dass dies nur noch in den Köpfen vorherrscht. Für Regionaldistanzen perfekte Lösung und für Ferndistanzen…..nach 300 km Fahrt, ist es ratsam, eine (kurze) Aufladepause zu machen. Fahre seit 5 Jahren Elektroauto (auch grosse Distanzen) …. und kann mir nichts mehr anderes vorstellen
Timon meint
Gratuliere zu diesem tollen Auto! Ich finde es schön, dass Sie diesen Alltagsbericht geschrieben haben. Elektroautos fahren viel ruhiger, und wie Sie geschrieben haben, mit dem E-Pedal lässt es sich viel entspannter fahren.
Waren Sie mit dem Leaf auch in Venedig im Juni?
M.M. meint
nein, mit Mietauto – ist übrigens unter dem Strich günstiger. EV-Ladenetz in derzeit Italien eher kritisch.
X3R meint
Ich war Ende Juni mit dem Tesla M3 in Venedig. Hat alles bestens geklappt.
M.M. meint
Schön, ich mit einem Alfa Romeo Giulietta von Hertz. 4 Tage, 1200 km, 360 Franken Miete.
Auch kein Problem.
Normalerweise fliegen wir.
Thomas Hügli meint
Lieber Manfred
Dass aus dir noch ein Elektroauto-Fahrer wird … ich hätt’s nicht geglaubt … Aber freuen tut’s mich! Und bis nach Laufen zum Zemp, Erdbeertorte rein und retour nach Arlese reicht’s auch!
Thomas
M.M. meint
Ich auch nicht 😉