Demnächst den nächsten Tagen, um präziser zu sein (Hinweis eines Lesers), werden wir in Interviews mit jenen neuen Mitgliedern der Basler Regierung beglückt, die bislang geschwiegen haben.
Man verbucht das unter dem „Ich-sage-100-Tage-nix“-Ritual.
Was konkret bedeutet: Hundert Tage schweigen und dann auch nichts sagen.
Aber was soll’s.
Das bisherige offizielle Schweigen von Frau Eymann, Frau Keller und Herr Sutter sagt ja auch ziemlich viel.
Zum Beispiel über die Position der Grünliberalen Esther Keller zwischen den Blöcken.
Das Schweigen der Bürgerlichen, insbesondere der regierungsgestärkten LDP sagt genug über die neuen Machtverhältnisse in der neuen Basler Regierung aus, um sich eine Meinung bilden zu können.
Genau so viel wie das Schweigen der Sozialdemokraten.
Hätten es nämlich die Bürgerlichen geschafft, in informellen Gesprächen und konkreten Absprachen die auch für sie wichtige grünliberale Stimme in der Regierung auf ihrer Seite zu versichern, wäre das schon längst durchgesickert.
Woraus sich schliessen lässt: Sie haben es gar nicht erst versucht oder haben’s und sind gescheitert.
Wa bedeutet: Esther Keller positioniert sich in den wichtigsten Politfeldern der neuen Legislatur auf der Seite der drei Sozialdemokraten.
Was bemerkenswert ist.
Weil die Grünliberale die alte Mehrheit nicht nur übergangslos zur neuen macht, sondern diese neuen Vier deutlich effizienter linke Visionen in den Niederungen des politischen Alltags durchsetzen können als die alten Vier.
Esther Keller im Baudepartement bringt ein ganz anderes politisches Gewicht auf die Waagschale als die glücklose Frau Ackermann im Präsidialdepartement.
Womit wir beim zweiten erstaunlichen Fakt dieser ersten hundert Tage sind: die Transformation des Präsidialdepartements vom entbehrlichen Regierungs-Appendix zur zentralen Schaltstelle der Macht.
Man muss diesen politischen Sprint mit Ausrufezeichen versehen – Beat Jans ist in nur 100 Tagen gelungen, woran seine Vorgänger seit 2009 gescheitert sind: nämlich zu zeigen, dass in Basel-Stadt ein Präsidialdepartement sehr wohl eine dynamische Impulsfunktion entfalten kann.
Q.E.D.: fundierte politische Erfahrung plus konkrete politische Vorstellungen plus lustvoller politischer Gestaltungswille gleich durchsetzungsfähiges Stadtpräsidium.
Die ersten hundert Tage zeigen aber auch in aller Deutlichkeit, welch gewaltiger politstrategischer Fehler es war, dass der liberale Conradin Cramer nicht ins Wirtschafts- und Sozialdepartement gewechselt ist.
Die Bürgerlichen haben sich damit bei allen wichtigen Zukunftsfragen des Kantons aus dem Rennen genommen.
Dort sitzt stattdessen mit Kaspar Sutter ein in Wolle gefärbter Politiker, der sich sowohl in den Verästelungen des Politbetriebs als auch in den Gesetzmässigkeiten des Staatsapparats auskennt.
Und mit Beat Jans im Grundsätzlichen derart übereinstimmt, dass die Frage des Departementswechsel des „Amt für Umwelt und Energie“ zweitrangig geworden ist.
Und Conradin Cramer liest derweil aus seinem Buch „In die Politik gehen.“
Frau Eymann ist ohne Zweifel im Justiz- und Sicherheitsdepartement gut aufgehoben. Was ihr berufliches Knowhow anbelangt.
Dcoh sie wird in ihren Hunderttageinterviews nichts wirklich Neues sagen können, weil ein Politwechesel in ihrem Departement, wie alle wissen, nicht stattgefunden hat.
Ihre hundert Tage-Interviews werden deshalb ohne Überraschungen bleiben.
Ob sie auch die politischen Voraussetzungen fürs Amt mitbringt, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen. Dann nämlich, wenn sie die Aktionen ihrer Polizei öffentlich wird erklären und rechtfertigen müssen.
Bleibt Lukas Engelberger.
Er hat derzeit keinen leichten Job. Aber er hat jetzt zumindest ein konkretes Thema zu bearbeiten, im ansonsten fast aufgabenfreien Gesundheitsdepartement.
Er widmet sich Corona mit Engagement und besten Absichten. Und unter dem Strich ziemlich erfolgreich.
Wie man in ein paar Wochen abschliessend über sein Corona-Management urteilen wird, hängt jedoch nicht von frühzeitigen Terrassenöffnungen ab, die er aktuell fordert, sondern von seinem Impfmanagement.
Schafft er es, bis im Sommer seine Versprechungen zu halten, freuen wir uns alle.
Sein grösstes politisches Problem ist jedoch nicht Corona, sondern der Positionswechsel seiner Partei von „CVP“ zu „Die Mitte“.
Er könnte in den kommenden Wochen Gefahr laufen, in Basel-Stadt den neuen Namen nachhaltig zu beschädigen.
Fazit der ersten hundert Tage der neuen städtischen Regierung:
- Basler Regierungspolitik war noch nie so spannend wie jetzt, weil alles in Bewegung ist.
- Die Regierungsratswahlen 2020 haben tatsächlich für einmal eine tiefgreifende politische Veränderungen gebracht.
- Der Stadtkanton wird deshalb (und wegen Corona) einen urbanen Entwicklungsschub erfahren, wie nie zuvor.
- Eine Behauptung, die mit dem Legislaturprogramm der neuen Regierung, das demnächst erwartet wird, bestätigt wird. Oder auch nicht.
Rampass meint
Basel? Nach 14 Monaten WorkFromHome merkt man bei den sehr seltenen Ausflügen in die Stadt die Änderungen viel besser als beim werktäglichen Pendeln.
Zusammengefasst: Geschäfte haben dichtgemacht, die Anzahl Bettler an jeder Ecke markant zugenommen, Parkplätze werden weniger, die Mediterranisierung unten am Rhein wird durch die als Rasenersatz erstellten und mit Stachelsträuchern versehen Rabatten ziemlich ‚verdichtet‘. Passt. Die Regierung erfreut’s, die Kunden/Betroffenen eher weniger und den Rampass kümmert das nicht wirklich.
Thierry Burckhardt meint
Aufgrund welcher Änderungen stellen Sie „die Transformation des Präsidialdepartements vom entbehrlichen Regierungs-Appendix zur zentralen Schaltstelle der Macht“ fest?
Roland Stark meint
Beat Jans macht genau das, was sich der Verfassungsrat vom Präsidialdepartement versprochen hat: Führen, planen, koordinieren, gestalten. Bisher wurde dort nur verwaltet, und erst noch schlecht.
Roland Stark, Verfassungspräsident 2000/2001
gotte meint
das ist jetzt sehr billige kritik, wenn man bedenkt, dass die sp bis jetzt rein gar nichts davon hielt, dass das PD auch nur in ansätzen das hätte, was man „profil“ nennt.
Roland Stark meint
Muss man hier nicht Name und Vorname nennen, um sich Gehör zu verschaffen? Anonymes kommt doch üblicherweise in den Papierkorb.
M.M. meint
nein, muss man nicht.
Roland Stark meint
Warum nicht?
M.M. meint
weil das hier schon seit 15 Jahren so die Regel ist. Punkt.
Franz Bloch meint
Mit offenem Visier kämpfen, ist eben nicht jedem/jeder gegeben. Eigentlich schade!
Arlesheimreloadedfan meint
Dafür dürfen hier sogar die Appenzeller mitreden.
Ohne Steinmeier und seine Kavallerie gäbe es dort noch mal ein allgemeines Stimmrecht !
P.Merkle meint
Es war zwar Steinbrück, Ihr Joke ist schwach und schief und ohne Verneinung stimmt das Ganze erst recht nicht: doch Hauptsache, Herrn Stark anr****n, nicht wahr?