Ich wundere mich ja auch, weshalb wir uns erneut in einer Abtreibungsdebatte wiederfinden.
Wie aus heiterem Himmel.
Das Thema ist doch seit 2002 vom Tisch. Damals haben nach einem ätzendem Abstimmungskampf 72 Prozent der Abstimmungsteilnehmer Ja zur Fristenlösung gesagt.
Und jetzt die Debatte nochmals von vorne? Von wegen Bezahlung?
Weshalb das Thema gerade jetzt wieder hochkocht, zu dieser Frage habe ich in den Medien bis heute keine plausible Erklärung gefunden.
Denn mich interessiert genau dies weitaus mehr, als die acht Millionen Franken im Jahr, mit denen das Gesundheitssystem angeblich belastet wird.
Den Grund kann man im politischen Untergrund suchen.
Völlig unbemerkt von den Politanalysten scheint sich in der Schweiz (übrigens auch an anderen Orten der Welt) evangelikales Sendungsbewusstsein mit konservativ-nationalistischen Wertvorstellungen zu paaren und zu einer neuen politischen Kraft heranzuwachsen.
Man kann das als Antwort auf die Entchristlichung/Entkirchlichung der Gesellschaft deuten: Zurück bleibt der radikale Bodensatz.
Interessant ist, dass sich Vertreter der Freikirchler vermehrt für Exekutivämter interessieren. In Baselland unlängst ein gewisser Herr Jourdan und heute jubelt Herr Hauswirth Herrn Albietz (CVP) als wählenswerten Nachfolger von Herrn Conti hoch.
Dabei gelingt Herrn Hauswirth in einem kurzen Abschnitt eine fantastische Analyse der Problematik (Kompliment!):
Er hat klare Werte und er vertritt sie auch. Das weckt natürlich Widerstand bei den Softies, Windfahnen und linken Freunden in den eigenen Reihen. Für einige seiner Parteikollegen ist Albietz eine Spur zu liberal, zu bürgerlich, zu rechts. Dabei ist der Anwalt eher ein CVP-Politiker von altem Schrot und Korn, und es spielt dabei keine Rolle, dass er nicht katholisch, sondern Mitglied einer freien evangelikalischen Kirche ist. Ähnlich wie Hansjörg Wilde, der parteilose Kandidat fürs Riehener Gemeindepräsidium, steht Albietz zu seinem Glauben und zu seiner traditionell konservativen Ausrichtung, und er ist kritisch gegenüber einer zu grossen Einmischung durch den Staat in Familienfragen.
Die neuerliche Abtreibungsdebatte sollte man deshalb nicht als Krankenkassenfrage behandeln, sondern als das, was sie ist: Ein Kräftemessen mit den Anhängern der offenen Gesellschaft.
Mit der Intiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» geht es in erster Linie um einen Stimmungstest.
Die evangelikanen Politkämpfer wurden 2002 mit ihrer Intitiative „Schweizerischen Hilfe für Mutter und Kind“ mit 82 Prozent Nein-Stimmen in die Schranken verwiesen.
PS: Der von der Basler Zeitung als Vorsteherkandidat fürs Gesundheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt lancierte Herr Albietz ist im gegenwärtigen Abstimmungskampf Streiter an vorderster Front: „Kinder kriegen ist keine Krankheit, deshalb gehört der Schwangerschaftsabbruch nicht in den Leistungskatalog der obligatorischen Grundversicherung.“
Redbüll meint
Vielleicht sollte man – statt Abtreibung zu streichen – Dummheit und Hypokrisie in die obligatorische Grundversicherungskatalog aufnehmen. Dann könnten sich die, die meinen, man wûrde nicht merken, dass die ganze Sache mit der Abtreibung auf Privatkosten nur ein dummes Buebetriggli gegen die Abtreibung ist, behandeln lassen. Feigheit ist wohl therapieresistent, da hilft nichts mehr.
kolibri meint
Lieber Herr MM
Es geht schlicht darum, dass Abtreibungsgegner jedes Fitzelchen an Möglichkeiten suchen, den so deutlichen Volksentscheid „Ja zur Fristenlösung“ zu bodigen. Und da wird wieder mit den gleichen moralischen Keulen wie vor 30 Jahren geschwungen – es ist ein Jammer.
Alle, die wie ich seit Jahrzehnten für die Fristenlösung gekämpft haben, stinkt diese moralinsaure Zwängerei gewaltig – aber wir lassen uns nicht unterkriegen, gerade weil wir Kinder lieben und Ihnen ein gutes soziales Aufwachsen wünschen!
Henry Berger meint
Tea-Party in Riehen
gotte meint
wer ist herr albietz?
Blindtext meint
Herr Albietz hält übrigens auch Homosexualität für heilbar. Wäre sicher ein grossartiger Gesundheitsdirektor für den Kanton Basel-Stadt.