Es gibt politische Mehrheitsentscheide, die grundfalsch sind. Sie werden mit Blick auf die Vergangenheit gefällt: Was damals erfolgreich war, solls auch in Zukunft bringen. Die Rede ist vom Fehlentscheid des Landrats, im Waldenburgertal erneut auf die Eisenbahn zu setzen.
Damals, als die Bahn ins Waldenburgertal kam, war das in der Tat ein mutiger Entscheid. Die mit dem Bau der Bahnlinie nach Olten wichtige Transitachse war mit dem ersten Zug von der Welt abgehängt worden. Die Waldenburgerbahn wurde eine Erfolgsgeschichte und die Talschaft ein prosperierender Wirtschaftsstandort.
Tempi passati.
Das Waldenburgertal gilt heute als Paradebeispiel für die aktuelle Entwicklung in Landstrichen, die abseits der Zentren liegen. Die Deindustrialisierung ist praktisch abgeschlossen und die demografische Entwicklung wird zum Hauptproblem. Gemäss der Baselbieter Bevölkerungsstatistik werden, gemessen am Jahr 2013, die Zahl der Betagten (65+) in der Alters- und Pflegeheim-Region Niederdorf bis 2025 um 42 Prozent zunehmen, bis ins Jahr 2035 gar um sagenhafte 83 Prozent. Was fast doppelt so hoch ist wie im Kantonsdurchschnitt. Um die Dramatik dieser Zahlen zu unterstreichen: Die stadtnahe AHP-Region Birsfelden zeigt fürs Jahr 2025 ein plus von 1,1 Prozent und 7,5 Prozent zehn Jahre später.
Was also für 275 Millionen Franken gebaut wird, ist eine schienengebundene Seniorenkutsche nach Waldenburg.
Wo solche Fakten ignoriert werden, pflegt man das Prinzip Hoffnung. Man hofft auf Familien mit Kindern und auf innovative Unternehmen, die neues Leben ins Tal bringen. Womit dann solch teure Verzweiflungstaten begründet werden, wie der Bau einer lokalen Eisenbahn. Auch der Kanton träumt seit Jahren davon, dass irgendwann, was auf der Landschaft mit «nächstes Jahr» übersetzt wird, sich das zukunftsträchtige, Hunderte Arbeitsplätze schaffende, wahnsinnig viel Steuern zahlende Unternehmen ansiedeln wird.
Allein, das wird nie geschehen.
Schon deshalb, weil die Zuwanderungsquoten für qualifizierte ausländische Arbeitskräfte immer kleiner werden und es einen weltweiten Kampf um diese Arbeitskräfte gibt. Und überhaupt – wer will schon täglich von irgendwoher mit dem Waldenburgerli zur Arbeit tuckeln?
Gibt es demnach keine Hoffnung? Oh doch, die gibts. Wenn man nach vorne schaut.
Am Tag des Landratsentscheids hat die Post ihr Projekt des chauffeurlosen Pendlerbusses vorgestellt. Das wäre ein Signal: Wir bauen die erste computergesteuerte Überlandbahn. Technisch kein Problem, schliesslich verkehren bereits U-Bahnen ohne Zugführer. Und zum anderen braucht es eine Breitbandoffensive. Das Baselbiet soll sich in diesem Jahr das Ziel setzen, bis in vier Jahren flächendeckend über die schnellsten Internetverbindungen der Welt zu verfügen, mobil und über Kabel. Was kein überrissenes Ziel ist. Die Schweiz belegt derzeit weltweit Rang 5.
Der Gemeindepräsident von Blauen hat kürzlich in einer Zeitung die Richtung vorgegeben, die auch fürs Waldenburgertal gilt: «Die gesellschaftlichen Entwicklungen durch die Informationstechnologien werden völlig ausgeklammert. Kleine Hightechfirmen müssten nicht entlang der Verkehrsachsen positioniert werden, sondern könnten in jedem kleinen Dorf angesiedelt werden.»
PS: Weil die Kleinstgemeinden dort oben im Alleingang keine Zukunft haben, sollten sie endlich fusionieren. Am besten gleich mit Liestal.
Zuerst erschienen in der BaZ vom 24. Februar 2016.