Herzog & de Meuron-Neubau der Messe Basel, fotografiert mit einem alten HTC-Phone
So ging der Kaiser unter dem prächtigen Thronhimmel, und alle Menschen auf der Straße und in den Fenstern sprachen: „Wie sind des Kaisers neue Kleider unvergleichlich! Welche Schleppe er am Kleide hat! Wie schön sie sitzt!“ Keiner wollte es sich merken lassen, daß er nichts sah; denn dann hätte er ja nicht zu seinem Amte getaugt oder wäre sehr dumm gewesen. Keine Kleider des Kaisers hatten solches Glück gemacht wie diese.
Gestern flanierten wir über die Mittlere Brücke ins Kleinbasel. Beim Claraplatz sagte ich zu ihr: „Komm, schauen wir uns doch mal schnell den Messeneubau an, wie weit die wohl inzwischen gekommen sind?“
Wir waren erschlagen.
Dieser Bau.
Diese Fassade.
Dieses Loch in der Decke.
Dieser Tramverkehr.
Dieses Parkhaus.
Dieses Hochhaus.
Dieser Schrumpfplatz
Dieser Rundhofhallebau.
Die Proportionen sind völlig durcheinander geraten.
Das optische Elend ist an zwei Dingen festzumachen: an der Lücke zwischen dem Parkhaus und dem Herzog-de-Meuron-Bau, die den Scharm eines Hinterhofs hat, fehlen nur noch die Mülltonnen und Graffitis und an dem Oberleitungsdrahtgewirr für die Strassenbahnen.
Und überhaupt: Die Verkehrssituation für Fussgänger: Die ist genau so unübersichtlich wie am Bahnhofsplatz.
Leute, man kann es drehen und wenden wie man will: Dieser Neubau steht am falschen Platz. Der käme nur zur Geltung, wenn man all die Häuserzeilen ringsum – bis zum Claraplatz – niederreissen und an der Stelle einen wirklich grosszügigen öffentlichen Platz schaffen würde.
Doch so, wie sich das heute darstellt, ist das ein grosser Murks.
Das ist nichts. Das ist, an der Rückseite zum Beispiel, allerhöchstens eine Manifestation, eine Botschaft ans optisch geschrumpfte Morger-Hochhaus: Du bist mir so lang wie breit.
Heute, lesen wir, soll der „Ist-mir-so-lang-wie-breit“-Bau eröffnet werden.
„Aber er hat ja gar nichts an!“ sagte endlich ein kleines Kind. „Hört die Stimme der Unschuld!“ sagte der Vater; und der eine zischelte dem andern zu, was das Kind gesagt hatte.
„Aber er hat ja gar nichts an!“ rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den Kaiser, denn das Volk schien ihm recht zu haben, aber er dachte bei sich: ,Nun muß ich aushalten.‘ Und die Kammerherren gingen und trugen die Schleppe, die gar nicht da war.
PS und noch gedacht: Zum Glück ist dieser Hadid-Bau am Barfi bachab geschickt worden.
Siro meint
Damit wird der Platz nun auch noch „aufgewertet“:
http://bazonline.ch/basel/stadt/Ein-Tramhaeuschen-direkt-im-Lichthof/story/25803487
Michael Przewrocki meint
Die beste Sicht-ausser aus der Luft-ist vermutlich aus dem Messeturm. Als Flugpanorama-Fotograf mach ich mir Sorgen wie der mir beim Breitfotografieren nicht das Bild zerstückelt….Am Besten ist wohl von der anderen Rheinseite aus auf 100m Höhe.
merlinx meint
Es ist verständlich, dass der Messeneubau den den einen oder andern überrumpeln oder sogar umwerfen mag. Ich finde ihn absolut perfekt, raffiniert, cool. Auf Jahre hinaus das Beste, das in Basel je gebaut worden ist.
Es ist nun mal nicht die Aufgabe moderner Architektur, Nostalgie zu bedienen, sondern den Mut zu haben und die Gelegenheit zu packen, etwas Neues, in der Form noch nie Gewagtes hinzustellen.
Man mag einzig bemängeln, dass die nun umso stärker hervortretende Biederkeit und Harmlosigkeit einiger anderer Bauten (und Quartiere) in dieser Stadt, noch unerträglicher geworden sind.
Aber die Neu-Bebauung rund um die Messe ist ja zum Glück noch nicht abgeschlossen.
Henry Berger meint
Die beste Architektur der Welt ist grottenschlecht wenn sie es nicht schafft mit den nun mal vorhandenen Umgebung irgendwie zu „korrespondieren“, ich schreib bewusst nicht einfügen. Der Architekt soll den Geist oder von mir aus auch den Ungeist eines Ortes erfassen und allenfalls dann sogar auf einen Bau verzichten. Herzog und de Meuron bauen lediglich „Solitaire“ die verbindungslos in der Umgebung stehen. Herzog und de Meuron hätten den seinerzeit sehr umstrittenen Eifelturm wohl ins Marais gestellt. Nicht jedes künstlerisch wertvolles Bild passt an jede Wand
M.M. meint
Das trifft alles zu, ist Common Sense. Nur – der Bau braucht eine grosszügige Umgebung mit wenig bis nichts drumherum.
Mein Bild zeigt die erdrückende Realität des Baus. Man läuft rum und sucht eine Position, von wo aus man die Halle mal in ihrer ganzen Dimension sieht. Aus der Fussgängerperspektive ist das nicht möglich, weil man zu wenig Platz zwischen sich und der Messehalle hat. Man denke sich Versailles eingebuchtet in ein Stadtviertel.
Bezeichnend ist, dass die beeindruckenden Bilder immer nur Teile des Gebäudes zeigen.
Das Gefühl unter der Halle ist bedrückend. Es fehlt das Licht. Und diese Drähte und die Haltestelle. Frauen darf man sich auch auf die Billetautomaten und Hinweistafeln. Fehlt dann nur noch der in Basel obligate Baum.
Henry Berger meint
Und das ganze für EINE Messe – das nennt man wohl Klumpenrisiko! Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass viele Besucher der Schmuckmesse den Besuch in der Schweiz in erster Linie dazu nutzen, diskret ihre Bankgeschäfte in der Schweiz zu erledigen, der Schmuck kommt erst in zweiter Linie! Nach dem faktischen Wegfall des Bankgeheimnis sehe ich hier etwas Schwarz. Seinen Schmuck kann der kleine Juwelier aus Florenz auch anderweitig besorgen.
Siro meint
Nach meinem Empfinden ist der Bau einfach nur hässlich. Wir werden noch erleben, wie das Unding abgerissen wird. Schade um die Kosten und Honorare. Und dafür dann bitte nicht nochmals BL zur Kasse bitten, das haben sich die Basler wirklich selbst zuzuschreiben.
Robert Schiess meint
Du hast recht. Ich habe dies schon immer gesagt. Der Messebau in seiner Unmasstäblichkeit teilt das Kleinbasel in 2 Teile: einer davor und einer dahinter, der nun langsam in die Verslumung geschickt wird.
Da haben sich Messebauer in Städtebau versucht, Stararchitekten waren ihre Gehilfen und haben die unsinnige Idee des Verbauens eines Platzes umgesetzt, vermutlich Angesicht des hohen Auftragsvolumens.
4 Jahre ist es her, als die Messe hoch und heilig angekündigt hat, dass das Parkhaus nicht weichen darf, was eine städtebaulich verträglichere Lösung ermöglicht hätte. Heute kommt die Messe mit dem Ansinnen, dieses Parkhaus abzureissen und durch Wohnung und ein Hotel zu ersetzen, ganz offensichtlich alles in einem neuen Hochhaus – eine Frechheit.
Wo bleibt da der Kantonsplaner? Ist er Teil eines Systems, welches das Votum des Stimmbürgers einfach übergeht?
EIN PLATZ DARF NICHT ÜBERBAUT WERDEN – so eine Maxime im Städtebau, die offensichtlich in Basel nicht mehr gilt.
Denn unsere Regierung, die stark in die Messe eingebunden ist, höfelt und weibelt den Grossen nach und setzt sich über solche Regeln einfach hinweg. Beispielhaft dafür steht der ehemalige Regierungsrat Ueli Vischer, der heute VR-Präsident der Messe, der Warteck-Invest – die nichts mehr mit Bier am Hut hat, dafür umso stärker in Immobilien involviert ist – und der Vischer-Advokaten ist, und der so das Schandspiel mit dem Stimmbürger mitträgt.
Politische Tugenden sind verloren gegangen.
Michael Przewrocki meint
Das Wichtigste ist doch hier was Drinnen abgehen wird. Zum Hadid-Bau am Barfüsserplatz bin ich Ihrer Meinung. Hab die 63% Ablehnung vorausgesehen. Ein US-Messebsucher vor dem Hochhaus meinte Basel solle seinen Charme beibehalten. Was er wohl jetzt meint?